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26 Psychische Studien. XIV. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1887.)
'dass man vom besagten Gegenstande weder etwas weiss,
noch auch wissen kann.' Es liegt in der That nicht viel
Ermuthigung darin, sich gestehen zu müssen, ^ass der
Mensch sich selbst das grösste Räthsel ist. Um so mehr
jedoch fordert das ihn auf, wenigstens das zu erkennen,
was noch wirklich erkennbar ist, nämlich die Bewusotseins-
Zustände. Nach dem Verfasser setzt sich der Geist (?) aus
Gefühlen zusammen, welche in Beziehung zu einander treten
und eine Assoziation bilden, deren Basis die vorangegangene
Erfahrung ist. 'Der Act des Erkennens und der Act des
Assoziirens sind nur zwei Seiten desselben Actes.1 Die
Gefühle selbst sind nichts weiter, als Veränderungen in den
N erven-Zellen, 'Entladungen durch Pasern, welche die Nervenzellen
mit einander verknüpfen.' Es giebt nach dem Verf.
centrale und peripherische, starke und schwache, unbestimmte
und bestimmte, zusammenhängende und unzusammenhängende,
reelle und unreelle Gefühle, und alle stützen sich auf funktionelle
oder structurelle Unterschiede. Der Geist kann übrigens
nur begriffen werden, indem man seine allmälige Entwicklung
verfolgt. Hierin wurzelt des Verfassers Grund-Anschauung
, die er mit Darwin gemein hat; denn seiner Ansicht nach
hat sich der Mensch erst in 'unmessbarer langer Vergangenheit1
aus niedrigeren Geschöpfen heraus gebildet, und gross
ist der Aufwand von Geist und Worten, um das zur Vorstellung
des Lesers zu bringen/ . .. 'Die höchsten Prozesse
im Bewusstsein werden nur unter der Bedingung möglich,
dass seine auf einander folgenden Zustände, trotzdem sie
ihrem Wesen nach zusammengesetzt sein können, sich
doch praktisch als elementare Zustände verhalten. Die
Thatsache, dass jedes Urtheil eine Beziehung ausdrückt,
und dass jede Beziehung zwischen zwei Elementen stattfindet
, beweist schon für sich allein, dass bestimmtes Denken
eine reihenförmige Anordnung seiner Bestandtheile zur
nothwendigen Voraussetzung hat/ Die Basis des Ganzen
ist die Erfahrung: 'alle psychischen Beziehungen werden,
ausser der absolut unauflöslichen, durch Erfahrung bestimmt
' . , . 'Somit hängt die Ausbildung des Verstandes
im Allgemeinen von dem Gesetze ab: wenn irgend zwei
psychische Zustände in unmittelbarer Aufeinanderfolge auftreten
, so wird eine derartige Wirkung hervorgebracht, dass,
sobald später der erste Zustand wiederkehrt, eine bestimmte
Tendenz wirksam wird, auch den zweiten darauf folgen zu
lassen.' Nach diesem Gesetze, meint Verf., müssen alle
geistigen Erscheinungen von der niedrigsten bis zur höchsten
erklärbar sein. Für ihn ist es einerlei, ob wir Stoff oder
Geist sagen: denn wir können uns den Stoff nur in Aus-
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