http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1887/0051
Kurze Notizen.
47
Stellungen, die unter den Zweigen des Arbre de Judee an
ihrer Seele vorüberzogen, und den ersten Ahnungen von
Sterben und Abschiednehmen, die der Tod eines kleinen Spielkameraden
in ihr erweckte. „Ueberall weiss sie an die einfachen
Kindereindrücke die geist- und gefühlsreichen Gedanken der
Frau zu knüpfen. So wenn sie von ihrem Vaterliause sagt:
'Das Haus unserer .Kindheit, das uns gross wachsen sah,
ist nicht aus Steinen, sondern aus Erinnerungen erbaut/
oder wenn sie bemerkt, dass es unnöthig sei, den Kindern
anfänglich Märchenbücher in die Hand zu geben, weil auch
die trockensten Bücher durch das blosse Wunder, lesen zu
können, für die Kinder ein phantastisches, wunderbares
Leben gewinnen. 'In diesen mühsam durchbuchstabirten
Büchern', fährt sie fort, 'giebt es Worte, welche man nicht
vergisst, und zwar sind es gerade diejenigen, bei denen es
am längsten dauerte, bis wir sie begriffen. Es ist, als ob
das Geheimniss, in das sie gehüllt waren, sie in den Grund
unseres Gedächtnisses fest schlösse, wie ein undurchdringlicher
und doch gebrechlicher Cocon, der sich nur dem
lebenden entfalteten Flügel des endlich erwachten Gedankens
öffnet/" — So giebt es nicht bloss Worte, sondern auch
Ideen und Erinnerungsvorstellungen, welche uns nicht verlassen
, sondern den Historiker rückwärts weit in die Vergangenheit
zurückführen und die Heroen derselben zu immer
neuem Leben und Wirken erstehen lassen, aber auch unsere
psychischen Medien in Traum und Vision auf das uns verschleierte
Gebiet der Geisterwelt hinaus verfolgen und die
verstorbenen Lieben in dramatischer Thätigkeit uns lebendig
zu vergegenwärtigen suchen.
i) Bei Hamburg ist in jüngster Zeit ein neuer seltsamer
Fall von unerklärlichem Klopfen in dem Hause
eines Bäckermeisters vorgekommen, dessen eigentliche Ursache
noch ebenso wenig ermittelt ist, wie die des räthselhaften
Kohlenstückewerfens in dem Hofraume des Hauses „Zum
Hirsch" Petersstrasse zu Leipzig, woselbst dem Zinngiesser-
meister die Fenster seiner Arbeitswerkstatt eingeworfen
wurden. (Vgl. „Psych. Stud." Januar-Heft 1884 S. 39 ff.,
S. 6 ff.) Das Spuken bei Hamburg begann am t5. September
1886 und dauert noch gegenwärtig, wenn auch sehr
schwach, fort Die dortigen Zeitungen erfanden „Igel" in
den Fussböden als geistreichste Erklärung. Warum nicht
Meerschweinchen, die dabei noch quietschen würden? Zwei
dienende Mädchen von 16 und 17 Jahren hatten sich mit
den Bäckergesellen geneckt, und einer von diesen hatte ihnen
gedroht, dass sie in ihre höher gelegene Dachbodenkammer
hinauf kommen und dort klopfen würden. Und in der That,
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1887/0051