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62 Psychische Studien. XIV. Jahrg, 2. Heft. (Februar 1887.)
ihn überall hinbringt, wohin sein Gedanke geht, oder wohin
er träumt." (Lib. 1 cap. 64.)
Das Denken des Menschen wird sammt seiner Einsicht
tind seelischen Macht am stärksten während der genannten
magischen Erregung, während deren er die Befähigung
erlangt, „dass er sich den Seelen der Menschen mittheiien
und verbinden, und sie über seine Gedanken, seinen Willen
und sein Verlangen unterrichten kann, auch auf grosse
Entfernungen, gerade als wenn er gegenwärtig wäre und
sie ihn sehen und hören könnten. — Jedoch ist dies
nicht Allen gegeben, sondern nur denen, deren Imagination
und denkende Kraft sehr stark ist. Es ist dies eine notwendige
Kraft, welcher jeder Wahrheitsfreund gehorchen
und folgen muss. Wenn nun die Imagination eine solche
Macht besitzt, dass sie, weder durch Ort noch durch Zeit
aufgehalten, sich Jedem nach Belieben mittheilen kann und
den schweren Körper öfter dahin, wohin ihr Sinn steht,
fortreisst, so kann man nicht zweifeln, dass der Gedanke
noch mächtiger ist, wenn er seiner .Natur folgen kann und
nicht durch Sinnreize gefesselt wird. In jedem Menschen
aber liegt eine solche Kraft, welche der menschlichen Seele
in Folge ihres Ursprungs innewohnt, jedoch bei den verschiedenen
Menschen nach Stärke und Schwäche abwechselt,
ebenso wie sie auch, der Uebung und dem Gebrauch entsprechend
, wodurch sie aus der Möglichkeit in die thätige
Wirklichkeit versetzt wird, zu- und abnimmt.44 (Lib. III.
cap. 43.)
„Auf ganz natürliche Art, ohne allen Aberglaub
en und ohne Yermittelung irgend eines
Geistes ist es möglich, dass ein Mensch dem
andern auf jede noch so weite, ja sogar unbekannte
Entfernung in der kürzesten Zeit seine
Gedanken mittheilen kann. Wenn auch die Zeit,
innerhalb welcher das geschieht, sich nicht genau abmessen
Jässt, so braucht man doch in keinem Fall über 24 Stunden.
Ich verstehe dieses Kunststück und habe es öfters schon
probirt; auch der Abt Trithemius versteht dasselbe und hat
es ausgeübt." (Lib. I. cap. 6.)
Das Fernsehen kommt nach Agrippa in allen Zuständen
vor, wo der Zusammenhang des transscendentalen
Subjects mit dem Zellenleib gelockert ist, so im Schlaf, der
Ekstase, der Ohnmacht, in gewissen Krankheitszuständen
und beim herannahenden Tod; er kennt jedoch auch eine
Methode, dasselbe künstlich hervorzurufen und sagt
(Lib. III. cap. 48.): — „Es giebt eine nur sehr Wenigen
bekannte Kunst, eine gläubige und reine Menschenseele so
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