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90 Psychische Studien. XIV. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1887.)
zu werden. Darauf wird eine papierne Puppe, die man als
Bild der todten Braut verfertigt hat, in die Sänfte gelegt
und diese nach dem Hause des Bräutigams zurückgetragen.
Sofort nach der Ankunft des Hochzeitszuges wird die
Papierbraut aus der Sänfte genommen und neben den pa-
piernen Bräutigam auf einen Sessel gesetzt. Sodann rückt
man einen mit Speisen besetzten Tisch vor das Paar, das
von einem halben Dutzend Priester durch Gesänge und
Gebete ermahnt wird, den Ehebund einzugehen und das
Hochzeitsmahl zu geniessen. Den Schluss der Feier bildet
die Verbrennung des papiernen Paares, sowie einer grossen
Menge von papiernen Dienern, Dienerinnen, Sänften, Geldstücken
, Kleidern, Fächern und Tabakpfeifen, f „ Allg. Modenzeitung
" No. 5 v, 31. Januar er.)
f) Aus der sächsischen Landeskirche. Mittheilungen
des evangelisch-lutherischen Landesconsistoriums
aus den Jahresberichten der Superintendenten auf das
Jahr 1885 — wird uns in Leipzig über besondere „Confes-
sionelle Verhältnisse" unter den separirten lutherischen,
apostolischen, methodistischen und baptistischen Gemeinden
auch über religionslose (?) Dissidenten, (welche
wohl nur deshalb so bezeichnet werden, weil sie Ad schluss
an die verpönten, aber durchaus nicht religioas-, sondern
bloss kirchenlosen Deutschkatholiken oder freien Gemeinden
Rongeh, Hofferichter's und Baltzer's suchen sollen,) und
b) über „Sonstiges Auftreten religiöser Richtungen" eingehender
Bericht erstattet. Daselbst heisst es: — „Die in
Annaberg abgehaltenen conventikelmässigen Vereinigungen
erstrecken sich jetzt auf 4 Gemeinden. — Die spiritistische
Bewegung scheint sich mehr und mehr auf den Mülsen-
grund zu concentriren, dort aber zuzunehmen. Dem Vereine
für 'Harmonische Philosophie1 gehören in Mülsen St. Nielas,
St. Jacob und St. Micheln über 500 Mitglieder an, die
unter Gebet und Gesang zusammenkommen und von
Leipzig aus mit Vorträgen eines Spiritisten versorgt werden.
— Mehrfach ist es jedoch den Geistlichen gelungen, dem
weiteren Umsichgreifen dieser Verirrung zusteuern.—
Ueber Bildung einer neuen Secte wird aus der Ephorie
Grossenhain berichtet. Dieselbe entstand in Thiendorf und
nennt sich „Theographischor*) Bruderbund in
Christo." Die Anhänger stammen meist aus der Gegend
*) Theographisch ist ein griechisches Wort und bedeutet: „öott
beschreibend," während theosopbisch — „gottweise" und theophiletisch
— „gottliebend" bedeutet. — Dies zur Notiz für etwa neu sich bilden
wollende Vereine dieser Art. — Ref.
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