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428 Psychische Studien. XIV. Jahrg, 8. Heft. (März 1887.)
gischen Aufgaben, welche liier gebieterisch eine Lösung
heischen, können nur durch Erkenntniss der Ursachen aufgelöst
werden. Nur soweit wir die Gesetze erkennen, nach
welchen diese Ursachen Wirkungen hervorbringen, vermögen
wir die für die Förderung der Gesellschaft erforderlichen
Wirkungen zweckmässig herbeizuführen und die Schäden
des gesellschaftlichen Körpers mit einsichtiger Hand zu
heilen. So geht durch die Gesellschaft unserer Tage ein
Gefühl, dass sie diese Fragen durch die Wacht des wissenschaftlichen
Gedankens und der darauf gegründeten prac-
tischen Genialität lösen muss, — oder sie stürzt in den
Abgrund kulturfeindlicher Zerstörung. Es geht zugleich
durch die Menschen unserer Tage das Gefühl, dass die
Idealität des Lebens erhalten werden muss, sollen nicht
die Triebfedern der hingebenden Arbeit am Staat und
der Menschheit erlahmen und Privatinteresse allein übrig
bleiben, — ja soll das Leben überhaupt lebenswerth
sein; die^e Idealität des Lebens aber ist an eine gerechte
Würdigung der geistigen Thatsachen gebunden, der
Sittlichkeit, Religion und Kunst, die dem Einzeldasein
Bedeutung geben, der nationalen Lebenseinheit, die es beherrscht
. Das Alles empfinden wir heute. Es treibt zu
den äussersten Anstrengungen auf dem Gebiete der Geisteswissen
bchaften an. Aber welche Schwierigkeiten umgeben
auf demselben den Arbeiter! Mathematik nur in den
Aussenwerken seiner Wissenschaft verwendbar. Das Experiment
nur in enge Grenzen eingeschlossen. Das persönliche
Erlebniss ist ihm schliesslich Unterlage*; durch dieses
allein versteht er ja die lebendigen Kräfte der Gesellschaft
und der Geschichte. Wohl ist dasselbe die tiefreichendste
aller Erfahrungen. Aber kann es zur Allgemeingültigkeit erhoben
werden? Kann von ihm aus eine Wissenschaft der
menschlichen Gesellschaft in dem Verslande, in welchem es
eine .Naturwissenschaft giebt, eine allgemeingültige Erkenntniss
der Ursachen, eine allgemeingültige Erklärung der Erscheinungen
aus diesen Ursachen gewonnen werden? Noch besteht
eine solche Wissenschaft nicht, und der Stieit dauert
fort, ob sie möglich sei." U. s. w. „Scherer trat sodann
ganz auf die Seite derer, welche die Frage nach der Möglichkeit
einer nur empirisch begründeten allgemeingültigen
Geisteswissenschaft bejahten und diese Wissenschaft möglichst
analog der Naturwissenschaft gestalten wollten." U. s.w.
Ein solches Werk existirt bereits in Henry Drummonü**:
„Das Naturgesetz in der Geistes weit. Aus dem Englischen
nach der 17. Aufl." (Leipzig, Hinriclis, 1886.) XXIV und
«*»45ö. gr. 8°. 3d.fi. Es ist kritisch besprochen in „Deutsche
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