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172 Psychische Studien. XIV. Jahrg. 4. Heft. (April 1887.)
deuten und ihn als eine Denkform bezeichnen; in Wirklichkeit
kann er aber neben der idealen eine reale Gestaltung
besitzen, die immer und uberall auf alle realen Objekte von
wirksamem Einflüsse ist, wie uns das Trägheitswiderstand
genannte Phänomen klar beweist.
Mit einer veränderten Raumauffaasung stehen ganz
andere Folgen im Zusammenhange, als jene es sind,
welche uns derzeit von der Wissenschaft gelehrt werden.
Gegenwärtig sagt man: Ein lebloser Körper, auf störungsfreier
Bahn in eine fortschreitende Bewegung gesetzt, verharrt
von selbst in dem Zustande geradliniger und gleichförmiger
Bewegung. Dies ist nun nicht möglich. Denn
wenn ein Körper im Zustande der Bewegung, wie gross
oder wie klein die Geschwindigkeit auch sei, den sogenannten
Trägheitswiderstand offenbart, sobald man seine Bewegung
in was immer für einer Richtung und mit was immer für
einer Geschwindigkeit abändert, dann ist jede Ort8Veränderung
überhaupt mit der Ueberwindung eines Widerstandes
verbunden, den wir als Raumadhäsion schon erkannt
haben, und es ist in der That eine Ursache U nothwendig,
die an dem Körper K verbleiben muss, wenn er in gleichförmiger
Bewegung bleiben soll, damit die Itaamadhäsion
stets in gleicher Weise überwunden werde. Nennen wir die
Bewegungsursache U an sich Kraft, so ist die Bewegung
des Körpers die Wirkung der Kraft, und diese Wirkung
besteht nicht in der Bewegung des Körpers K an sich,
sondern in dieser Bewegung und gleichzeitig in der Ueberwindung
der Raumadhäsion des Körpers K. Der Kraftbegriff
ergiebt sich daher von selbst als ein
Arbeitsbegriff, und während eine Kraft U einen
Körper auf sonst störungsfreier Bahn in geradliniger und
gleichförmiger Bewegung erhält, ist sie in unausgesetzter
Arbeit begriffen, und es ist klar, dass einer und derselben
Kräftemenge immer nur eine gleiche Leistung für
die Zeiteinheit zugesprochen wer den kann, wenn
die Kräfte sich nicht ändern.
Das unveränderte Verharren der bewegenden Kräfte U
an einem Körper hat also nur gleichförmige Bewegung
zur Folge, und soll ein Körper K schneller bewegt werden,
so müssen neue Kräfte U' auf ihn einwirken; denn bei
schnellerer Bewegung ist die Menge der durchlaufenen Orte
in geradem Verhältnisse grösser, daher wächst auch in demselben
Verhältnisse die zu leistende Arbeit; und weil die
Kräfte U in der Zeiteinheit immer gleiche Arbeit leisten,
so sind unbedingt neue Kräfte U' erforderlich, weiche das
plus an Arbeit bei vergrösserter Geschwindigkeit leisten.
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