Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
14. Jahrgang.1887
Seite: 227
(PDF, 153 MB)
Bibliographische Information
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Wittig: Liegt dem Volksaberglauben gar keine Wahrheit etc. 227

schon angedeutet, dass ein stark religiöser Zug das eintönige
Leben des Bauern durchgängig verklärte. Seine treuherzige
Gläubigkeit, die keine Skrupel kannte und auch das Unfass-
bare ohne Bedenken für volle, unbestrittene Wahrheit hielt,
verlieh ihm eine gewisse Würde. Starker, unerschütterlicher
Glaube machte auch auf den Zweifler Eindruck. Dieser
so stark ausgeprägte Glaube, der an der Allmacht Gottes
wie an dessen allwaltender Liebe nicht zweifelte, hatte aber
auch eine Schattenseite. Mit ihm zugleich nämlich lebte
ein unvertilgbarer Aberglaube im Herzen des Volkes,*)
und wie es felsenfest überzeugt war, dass Gott in wunderbarer
Majestät im Himmel throne, so bevölkerte sich ihm
die Erde, die ja der Schemel seiner Füsse war, an den
sich der Teufel fest ankrallte, um die Gläubigen fortwährend
zu versuchen, mit allerhand gespenstigen Wesen. Im Abenddunkel
und des Nachts umschlichen diese Unholde in allerhand
Gestalten auf leisen Sohlen die Wohnungen der
Menschen und blickten mit bösem Auge durch die kleinen
in Blei gefassten Scheiben der viereckigen Fenster solange
in die schwach erleuchteten Zimmer, bis irgendwo das Unheil
haften blieb und der Eine oder Andere dadurch zu Schaden
kam. — Selten verging ein Abend im Kabinet des Bauern,
wo nicht die Rede auf Vorgänge kam, die man sich auf
natürliche Weise nicht erklären konnte. Man glaubte alles
Ernstes an Hexen, die in Bettlergestalt um eine Gabe
flehten und dabei dem Vieh im Stalle Schaden zufügten.
Die feurigen Drachen hatten Hunderte durch die
Lüfte fahren und über dem Schornsteine dieses oder jenes
* Hauses unter seltsamem Geräusch verlöschen sehen, wodurch
dann die Bewohner desselben mit misstrauischem
Auge betrachtet wurden, wohl auch gelegentlich in bösen
Leumund geriethen. — In solchen unheimlichen Erzählungen,
die auf empfängliche Kindergemüther eigentümlich, nicht
aber in wohlthuendem Sinne aufregend wirken, besass die
Mutter meines ländlichen Gespielen eine merkwürdige Stärke.
Sie war eine wohlbeleibte, behäbige Frau, häuslich, thätig,
wohlwollend und ihren Untergebenen eine milde Gebieterin.
Ihrem ganzen Wesen nach konnte man lebhafte Phantasie
nicht bei ihr vermuthen. Dennoch trug sie, so oft sie auf
das Kapitel schwer zu enträthselnder Vorgänge kam, das
ihr Ueberlieferte mit solcher Lebendigkeit und mit so felsen-

*) Die Lausitz»er Wenden sind ein uralter slawischer Volksstamm,
welcher erst unter Otto dem Grossen nach Gründung der Mark Meissen
um 950 zum Christenthum gewaltsam bekehrt wurde und noch viele
Jahrhunderte bis heute an seiner Sprache und seinen Sitten zäh festgehalten
hat — Referent.

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