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Kurze Notizen
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renden jungen Arztes hinweg. Reicher Beifall lohnte ihm
die ausserordentlich interessanten Voiführungen. Derselbe
erreichte jedoch seinen Höhepunkt, als Herr Bollert die von
ihm zuerst gemachten Versuche aufstellte, durch das Telephon
, also auf weite Entfernung hin, nur durch den Klang
der Stimme, ohne dass irgend welche körperliche Berührung
stattfand, die Medien in Schlaf zu versenken. Der Versuch
gelang ausgezeichnet. Herr Bollert entfernte sich aus dem
Saale, redete durch ein Fernsprechinstrument von dem Vorraum
her zu den Medien, welchen der erwähnte junge Arzt
den Fernhörer nahe hielt, so dass sie hören konnten, und
versenkte diese je nach ihrer grösseren oder geringeren
Empfänglichkeit in einfachen oder kataleptischen Schlaf.
Seine Behauptung, dass in nicht allzuferner Zeit ein Arzt
auf telephonischem Wege einem Patienten Schlaf zu verschaffen
im Stande wäre, schien, so scherzhaft sie klang, durch dieses
Experiment an Unwahrscheinlichkeit zu verlieren. Vorausgesetzt
, dass hier Alles mit rechten Dingen zugeht, woran bei der
Ausserordentlichkeit des Erfolges im Zuschauerraum Zweifel
wohl erklärlich sind, dürften die Experimente des Herrn
Bollert die weitgehendste Beachtung verdienen und namentlich
in Aerztekreisen grosses Interesse erregen. (Vgl S. 240.)
/) So geschehen Wunder. Italien ist von jeher das
Land der Wunder gewesen und ist es noch heute. Wie
solche Wunder aber entstehen, zeigt nachfolgende Geschichte.
An dem Bahnhof in Nola lag ein Haufen Holz hoch aufgeschichtet
, und einer in der Nähe des Thatortes wohnenden
Frau fiel es ein, auf diesen Holzstoss ein Wassergefass
auszugiessen. Aber was geschieht? Das Wasser, das die
Alte ausgeschüttet, hat sich in Blut verwandelt, das in
Strömen unter dem Holze hervorquillt. Auf das Bekreuzen
des alten Weibes versammelte sich im Nu eine grosse
neugierige Volksmasse. Die Einen vermuthen einen Todtcn
unter dem Holzstoss, die andern glauben an Hexen und
Zauber. Man giesst nochmals Wasser aus, und siehe da,
das Wunder wiederholt sich, und erschreckt weicht die
Menge zurück. Als der Prätor anrückt, hat der Auflauf
schon den Charakter einer Volksversammlung angenommen,
und die Geistlichkeit stellt sich im Kreise beschwörend vor
dem Miraculum auf, während einige beherzte Karabinieri
die Stämme beiseite räumen. Als dies nach geraumer Zeit
geschehen, entsteht neues Entsetzen: kein Leichnam, nur
eine grosse, räthselhafte Blutlache ist am Boden. Der
Leichnam des Erschlagenen muss sich also mittlerweile in
Holz oder Erde verwandelt haben, und seit diesem Tage
wagt kein Nolaner Nachts an dem Schreckensort vorbeizu-
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