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242 Psychische Studien. XIV. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1887.)
Es handelt sich an der Hand der uns gegebenen
mediumistischen Thatsachen um die Lösung der Grundfragen
: — Giebt es eine diesseitige leibhaftige Geisterwelt
in unserem irdisch-sinnlichen Sinne und stehen wir mit
einer solchen durch unseren Mediumismus in Verkehr —
oder giebt es eine wirklich wesenhafte Geisterwelt nur im
Jenseits unserer Sinnenwelt, und ist jene diesseitige Erschein
ungs - Geisterwelt nicht bloss ein psychischer Reflex
oder ein seelisches Spiegelbild unserer psychischen Erinnerungen
und gemüth- wie phantasievollen Erwartungen einer
solchen ? Können uns Geister des Jenseits wirklich sinnlich
leibhaftig erscheinen als irdische Wesen — oder können
wahre Geister nur geistig (und niemals sinnlich) sich
uns offenbaren?
Die Beispiele des Herrn Herausgebers, die er gegen
Herrn von Hartmann ins Feld führt, scheinen der ersteren
Ansicht das Wort zu reden, — er berichtet uns allerdings
unumstössliche und durch viele Zeugnisse erhärtete Thatsachen
, — aber Thatsachen sind noch keine unumstösslichen
Wahrheiten und lassen sich auf gar mancherlei Erklärungsursachen
zurückführen, welche im Thatsachen-Bericht mehr
oder weniger verschleiert liegen, je nachdem der Standpunkt
des Berichterstatters war, — und es giebt deshalb gewichtige
Bedenken gegen deren volle zwingende Beweiskraft,
so dass die zweite Hypothese ebenfalls noch ihre Berechtigung
behauptet. Diese ganze Streitfrage ist zwar
uralt — sie beginnt mit Homer und der Bibel, welche
Götter und Menschen in sinnlicher Leibhaftigkeit mit einander
verkehren lassen; sie setzt sich fort durch das Ur-
christenthum mit seinem judenchristlich-leiblichen und pau-
linisch-visionären Auferstehungsglauben: — aber sie muss
gegenwärtig aufs neue entbrennen, denn sie ist weder durch
den Rationalismus, noch durch die Wissenschaft der Neuzeit
auf Grund der neueren und neuesten mediumistischen
Experimente in einem wirklich befriedigenden Sinne
physiologisch-psychologisch gelöst worden. Diese Lösung
durch Gegenüberstellung dieser zwei verschiedenen Arten
von Geister-Eepräsentanten wenigstens annähernd vorbereiten
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