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244 Psychische Studien. XIV. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1887.)
E. T. A. Hoffmann als Mystiker.
Von Ferdinand Maack.
„Immer glaubt' ich, dass die Natur gerade
oeira Abnormen Blicke vergönne in ihre
schauerlichste Tiefe." (L £3.)
„Ja, es ist kein Wahn, keine leere Einbildung;
sie ist uns gegeben, die göttliche Kraft, die, über
Zeit und Kaum gebietend, das Uebersinnliche kund
thut in der Sinnenwelt!" (XI. 259.)
„Klar wird der höh'ren Mächte dunkles Walten,
Entstrahlt's der Dichtung hellem Zauberspiegel."
(XL 197.)
I.
„'Also Dichter allegiren Sie, als wären es ernste Naturhistoriker
und Psychologen; nun sind aber Dichter nichts
weniger als das, sondern ausgemachte Phantasten, die lauter
eingebildetes Zeug ausbrüten und vorbringen. Sagen Sie,
wie mag denn aber ein verständiger Mann, wie Sie, sich
auf Dichter berufen, um das zu bewahrheiten, was wider
Sinn und Verstand läuft?* — 'Halt', sprach der Ernste,
'halt, mein Liebster, ereifern Sie sich nicht! Bedenken Sie
fein, dass, wenn vom Wunderbaren, Unglaublichen die
Rede, man füglich Dichter allegiren darf, denn simple
Historiker verstehen den Teufel was davon. Ja, wenn das
Wunderbare in Schick und Form gebracht und als reine
Wissenschaft vorgetragen werden soll, wird der Beweis
irgend eines Erfahrungssatzes am besten aus berühmten
Dichtern entnommen, auf deren Wort man bauen darf.'
(VIII 179) *) .. . Die Freunde kamen im Gespräch bald
auf den mystischen Vinzenz und seinen Wunderglauben
zurück. Cyprian meinte, dieser Glaube müsse in jedem
wahrhaft poetischen Gemüth wohnen, und eben deshalb habe
auch Jean Paul über den Magnetismus solche hochherrliche
Worte ausgesprochen, dass eine ganze Welt voll hämischer
*) Ich citire nach: „E. T. A. ßoffmann's gesammelten Schriften".
12 Bände. (Berlin, G. Reimer, 1844 u. 45.)
Ernst Theodor Wilhelm (nicht Amadeus) Hoffmann wurde geboren
am 24. Januar 1776 in Königsberg, studirte dort die Rechte und trieb
leidenschaftlich Musik und Malerei. Lebte dann in Glogau, Berlin,
Posen (als Regierungsassessor), Plozk, Warschau (als Regierungsrath),
Berlin, Bamberg (als Musikdirektor), Dresden, Leipzig, Berlin (als
Kammergerichtsrath). Gestorben am 25. Juni 1822 in Berlin: „ausgezeichnet
im Amte, als Dichter, als Tonkünstler, als Maler", wie auf
seinem Grabmal steht. — üeber „Ä T. A. Boffmann 1813—14 Capell-
meister am Leipziger Stadttheater" berichtet Herr Dr. K. Wh{istling)
höchst interessante Einzelheiten im „Leipziger Tageblatt" vom
30. Mai 1887.
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