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Maack: E. T. A. Hoffmann als Mystiker.
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augenblicklicher Belustigung ohne allen weiteren Anspruch
leicht hingeworfenen Scherze mit ernsthafter, wichtiger
Miene zergliedern.44*) Trotzdem aber Hoff mann jeder Tendenz,
und vor allem einer philosophischen**), abhold war, hat sich
sein scheinbar willkürlich schaffender Dichtergenius dennoch
nicht von einem teleologischen Prinzip emanzipiren können.
Ja, gerade weil Hoffmann sich selbst so bestimmt gegen eine
Absicht ausspricht, um so interessanter und wichtiger ist es
für uns, constatiren zu können, dass seine Dichtungen einer
— übersinnlichen Weltanschauung das Wort reden.
Diese Thatsache drängt sich Einem nicht nur bei der
Lektüre seiner Märchen auf, von denen wir nachher einige
„mit ernsthafter, wichtiger Miene zergliedern44 wollen, sondern
dafür sprechen auch die fast in jeder seiner Dichtungen
mannigfach zu Tage tretenden übersinnlichen Erscheinungen
. Von diesen werden wenige existiren, welche
Hoffmann nicht auf irgendeine Weise verwerthet hat, sei es,
dass er darüber conversiren lässt, sei es, dass sie nicht nur
vorübergehend, sondern oft grundlegend in die Handlung
eingreifen.
Selbstverständlich können wir nur einiges Wenige aus
der Fülle herausgreifen, da der Raum jede Ausführlichkeit
verbietet. Wir wollen aber hiermit auch hauptsächlish zur
eigenen Lektüre von Ho/fmanri*$ Schriften anregen. Diese
wäre um so mehr erwünscht, als unsere Skizze nur ein unvollkommenes
, weil einseitiges Bild seiner Muse darbieten
kann.
In grosser Ausdehnung kommt die psychische Wechselwirkung
bei Hoffmann zur Geltung. Man könnte drei Arten
derselben unterscheiden. Einmal können nämlich Lebende
gegenseitig aufeinander einwirken, ein ander Mal Todte
auf Lebende, und endlich kann der Einfluss von einem nicht
näher bestimmten dämonischen Prinzip überhaupt ausgehen.
Alles dieses bringt Hoffmann in der mannigfachsten Weise
zur Darstellung, und zwar oft zu einer solch* vollendetfrappanten
, dass die üeberlieferung geht, der Dichter habe
sich selbst vor seinen Gestalten gefürchtet.
*) Vorwort zur „Prinzessin Brambillw* (IX, 141).
**) Hoff mann stand der FacbpbÜosophie gänzlich fern. Er gab
seibor unverhohlen zu, dass er die Kant'achen Vorlesungen nicht verstehe
, obwohl die Sitte jener Zeit es forderte, dass jeder eben aus der
Schule Entlassene seinen Cursus mit Logik, Metaphysik und Moralphilosophie
bei Kant anfangen inusste. H. kümmerte sich nur um
Jurisprudenz als Brodwissenschaft, im Uebrigen gehörte er mit ganzer
Seele den Künsten an. Cfr. sein „Leben und Nachlass" von I. Ä. Hitzig,
(Stuttgart, Brodhag, 1839.)
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