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252 Psychische Studien. XIV. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1887.)
kamen, hatte wohl darin seinen Grund, dass man ihnen den
Anblick solcher oft schreckhafter Zustände ersparen wollte.
Bevor die Priesterin sich auf den Dreifuss setzte, schüttelte
sie den dabei stehenden Lorbeerbaum, pflückte Blätter ab
und kaute sie; sie war mit Lorbeerkränzen geschmückt,
und der Dreifuss war mit Kränzen und Zweigen von Lorbeer
bedeckt. Die Verwendung des Lorbeers zu solchen Zwecken
ist nun auch unseren Somnambulen bekannt. Eine Somnambule
Kerner's sagt, dass der Lorbeer die magnetische
Kraft mächtig verstärkt; sie räth einer Kranken, in ihrem
Zimmer Lorbeerbäume zu halten, und als sie selbst Lorbeerblätter
in die Hand nimmt, sagt sie: — „Der Genuss von
Lorbeerblättern — ich weiss es jetzt allein von den Blättern,
weil ich nur diese in der Hand halte, — dient denjenigen
Menschen, die Anlagen zu den magischen Wissenschaften
haben, dass sich diese in ihnen mehr entwickeln. Will ein
schwacher Magnetiseur stark einwirken, so soll er mit
Lorbeerblättern magnetisiren." — Zur Verstärkung ihres
magnetischen Schlafes verordnete sie sich Kirschlorbeerwasser
, ohne es je gekannt zu haben, und Kerner erzählt,
dass ein Mädchen, dem er dieses Wasser tropfenweise verordnet
hatte, aus Missverständniss der Wärterin einen
Esslöffel voll auf Einmal erhielt, worauf es in einen dreitägigen
Somnambulismus verfiel.1) Auch van Heimoni erzählt,
dass er durch den Genuss von „Napeilus" somnambul wurde
und mit der Magengegend dachte.2)
Als Erregungsmittel des Somnambulismus wird auch
das Wasser verschiedener Quellen angegeben. So bei
den Orakeln zu Pergamus, Dodona, Epidaurus.
Auch die Pyihia trank aus dem kastalischen Quell, bevor
sie den Dreifuss bestieg. Beim Orakel zu Klaros weissagte
ein männlicher Prophet, der sich durch Fasten vorbereitete
; wenn er dann von der dortigen Quelle getrunken
hatte, wurde er bewusstlos und gab den Fragenden Antwort,
worauf er allmählig wieder zu sich kam, ohne sich dessen
zu erinnern, was er geredet.3) Beim Orakel zu Kolophon
stieg der Priester in die Grotte hinab und trank von dem
begeisternden Wasser.4) Ueber das merkwürdige Verhältniss
der Somnambulen zum Wasser — abgesehen von der künstlichen
Magnetisirung desselben — sagt Medicinalrath
Schindler: — „Viele Somnambulen wurden von Wasserflächen
angezogen, wie Fischer und Pfoot dies beobachteten; Hufe-
*) Kerner: „Gesch. zweier Somnambulen." 238, 241. 250. 379,
2) Helmont: „demens idea".
3) Jamblivhus: „de rayat. Aeg." III. 11.
4) Tacilus: „4nnal." Ii. 54.
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