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284 Psychische Studien. XIV. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1887.)
werb zu ziehen, vielmehr widmete er sich dem Kaufmannsstande
und ging als junger Mann, vom Goldfieber ergriffen,
nach Australien. Nach vielen Abenteuern, nachdem er
Reichthum erworben und wieder verloren hatte, bereiste er
Afrika. Dort im Süden, unter den Zulus, gab er Proben
seiner Kunst zum Besten. Die Zulu-Kaffern zeigten sich
anfangs sehr erstaunt, dann legten sie ihm die Frage vor:
„Kannst du Leben geben ?" — Als Hansen verneinte, meinten
sie gleichgültig: „Nun, dann bist Du ebenso blos Mensch
wie wir.'4
Reich kehrte Hansen nach der Heimath zurück und
begann sich jetzt, um die Mängel seiner Bildung auszufüllen,
wissenschaftlichen Studien widmen. Dann eröffnete er seine
Wanderungen durch Europa, anfänglich im Kampfe mit
Ungläubigen, welche ihm den lebhaftesten Widerstand
entgegensetzten, verfolgt von den Behörden und von der
Geistlichkeit, — bis er nach und nach fast alle seine Gegner
überzeugte und bekehrte. Ueber die Natur der ihm innewohnenden
Kraft hat Hansen selbst keine befriedigende
Erklärung gegeben. Er meint, dass das aus seinem Köper
ausstrahlende Fluidum das grosse Gehirn des Menschen
ausser Dienst setzt und nur das kleine in Thätigkeit belässt,
woher sich dann der halbwache Zustand und die unbeholfenen
Bewegungen des Schlafenden erklären. Dass dies
nicht ausreicht, die sogenannte „FernWirkung," die Beherrschung
des Willens einer entfernten Person verständlich
zu machen, leuchtet ein ; es soll übrigens nicht verschwiegen
werden, dass uns die Hansen'sche Fernwirkung an sich noch
keineswegs gehörig beglaubigt erscheint.
Welchen vernünftigen Zweck die Sache hat, lässt sich
zur Zeit eben so wenig erschöpfend sa<?en. Vielen wird es
genügen, die possirlichen Gehversuche der Eingeschläferten
und ihr Erwachen gegen 1 Mark Entree allabendlich belachen
zu dürfen. Aber diese Albernheit ist im Grunde
genommen nicht der Mühe werth. Selbst wenn jedoch
Hansen einen praktischen Nutzen nicht stiften sollte, so
schuldet man ihm schon im Dienste der Wissenschaft Dank:
denn die Wissenschaft ist sich Selbstzweck, und es genügt
ihr, eine interessante Aufgabe gestellt zu haben, für die
eine natürliche Lösung bisher noch nicht gefunden worden
war.
Vielleicht aber ist die Zeit auch nicht mehr fern, wo
der Hypnotismus in den unmittelbaren Dienst der Menschheit
gestellt werden wird : in der Strafrechtspflege als Mittel,
Verbrecher zu einem Geständniss wider ihren Willen zu
bringen, in der Medicin als gefahrloser Ersatz für das
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