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300 Psychische Studien. XIV. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1887.)
Theben erhielten nur die Fremden Antwort, nicht aber
die Einheimischen; es scheint daraus hervorzugehen, dass
die tellurischen Einflüsse, wodurch der Somnambulismus
erzeugt wurde , auf die *daran gewohnten Einheimischen
nicht wirkten, sondern nur auf Fremde. In der Höhle
des Trophonius bei Lebadäa in Böotien stiegen die Besuchenden
in eine Höhle hinab und erhielten in einem
Zustand zwischen Schlaf und Wachen die erbetene Aufklärung
.1) Auch bei Vergil ist von einem solchen Traumorakel
die Rede.2)
Die ursprüngliche Meinung, dass die Weissagenden
göttlich inspirirt seien, scheint sehr lange vorgehalten zu
haben. Mit der Zeit aber nahmen die Erklärer ihre Zuflucht
zu Dämonen. Plutarch sagt: — „Die Meinung, dass nicht
die Götter, die allerdings der irdischen Geschäfte überhoben
sein müssen, sondern die Dämonen, als Diener der Götter,
den Orakeln vorstehen, ist eben nicht zu verwerfen."8) Aber
Plutarch selbst schon schreibt dabei der Seele keine bloss
passive Rolle zu: — „Auf gleiche Weise scheint auch das,
was man Enthusiasmus nennt, eine Vermischung zweier
Bewegungen zu sein; der einen, die von aussen in der
Seele gewirkt wird, und der anderen, die schon in der
Natur der Seele liegt. Denn wenn es unmöglich ist, leblose
Körper, die immer auf dieselbe Weise bestehen, ihrer Natur
zuwider und mit Gewalt zu gebrauchen, und z. B. einen
Cylinder wie eine Kugel oder einen Würfel zu bewegen,
oder eine Leyer nach Art einer Flöte, eine Trompete wie
eine Cither zu spielen; ja wenn auch, wie es scheint, gar
keine andere Sache durch irgend eine Kunst sich anders
brauchen lässt, als ihre Natur mit sich bringt: sollte man
wohl ein lebendiges, sich selbst bewegendes Wesen, das mit
Vernunft und Begierden begabt ist, anders, als nach der
schon in ihm liegenden Naturkraft und Fertigkeit behandeln
können?"4) — Damit will Plutarch sagen, dass Apollo nur
den ersten Anstoss bei den Orakeln giebt, dass aber
mindestens die Form der Orakel der Pythia zugeschrieben
werden muss. In weiterer Behandlung dieser Ansicht treten
aber Götter und Dämonen noch weiter zurück, und die
Weissagungsgabe wird der Seele des Menschen
selbst zugeschrieben. So bei Jamblichus, welcher sagt, dass
l) Max. Tyr. XIV. 2. — Strabo IX. 2. 38. — Pausan. „Boeot." 39. -
Hesychins s. verb. kfdbeicc. — Livias XXXXV. 27. — Plinius „H. N."
XXXI. 11. — Athen. XIV. 2. — Zenob. HI. 61.
2> Verg. „Aen." VII. 81-91 ♦
3) Plut. „def. orae."
Plut. „Cur Pythia" etc.
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