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326 Psychische Studien. XIV, Jahrg. 7. Heft. (Juli 1887.)
Koppen scheint von allen diesen Dingen blutwenig zu kennen,
weil er sonst vorsichtiger in seinem Urtheilen gewesen sein
würde. Wöllner, in der rationellen Landwirthschaft ein
Vorläufer des später so berühmten Thaer, sollte sich selbst
zu solchem unwürdigen Betrug und Mummenscherz hergegeben
haben, um seinen König zu täuschen ? I >as glaube,
wer es kann. Ich nicht. Wir haben offenbar einen echten
mediumistischen Vorgang des vorigen Jahrhunderts vor uns,
der nur durch seine total unwissenden Widersacher wie die
gleichzeitigen Verrichtungen eines Caglios^ro und St. Germain
zu frechem Betrug gestempelt worden ist. Sicher hätte
König Friedrich Wilhelm III. keinen wirklichen Schuldbeweis
unterdrückt, nachdem er es einmal zu dem Eklat einer
Verhaftung der Gräfin Lichtenau hatte kommen lassen, und
sich ja auch nicht scheute, ihr die vom verstorbenen König
geschenkten Lichtenauer Güter, die sie erst 1809 auf
Napoleon^ Verwendung zurück erhielt , sowie ihre Häuser
in Charlottenburg und Berlin nebst einer Summe von
500,000 Thalern, welche Friedrich Wilhelm IL zur Sicherung
ihrer Zukunft ihr ausgesetzt hatte, als vorgebliche Erpressungen
und Staatsgut wieder zu entziehen. Er hätte
sie sicher auch als Betrügerin brandmarken lassen, wenn
die Anhaltspunkte hierzu vorhanden gewesen wären. Wie
gross übrigens das Vertrauen des verstorbenen Königs zu
ihr gewesen sein muss, beweist auch indirect der nachfolgende
, gegenwärtig durch alle Tagesblätter laufende
Bericht: — „Der geheimnissvolle Ring," siehe S. 334.
Aber die Gräfin schreibt hinsichtlich dieses auf
sie gelenkten Verdachtes der Erpressung und Beraubung
des Staates: — „Etwa ein Jahr vor des Königs Tode ver-
heirathete sich meine Tochter (Marianne Dieterike, Gräfin
von der Mark, geboren im Februar 1770; vermählt im Jahre
1796 mit Friedrich Erbgrafen von Stollberg - Stollberg, gestorben
1805; die Ehe wurde später geschieden) und
erhielt vom König eine Ausstattung von 200,000 Thalern.
Der König aber machte mich zur vollen Eigenthümerin
der Lichtenauer Güter." — Daher stammte also ihr Vermögen,
aus freiwilligen Schenkungen des Königs, worüber wohl
die von ihm vollzogenen Urkunden vorhanden gewesen sein
werden. Und trotzdem die Verdächtigung und Anklage
auf Erpressung! Als ob eine Pompadour nicht nur eine,
sondern viele Millionen an sich gerissen und vergeudet
haben würde! Es wurden ihr aber doch 4000 Thaler Pension
jährlich ausgesetzt, eine gewisse Anerkennung ihrer im
Grunde doch wohl gerechten Forderungen. 1802 war sie
48 Jahre alt und erbat und erhielt die Erlaubniss des Königs
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