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336 Psychische Studien. XIV. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1887.)
der Wollende hat als Grundgefühl seines religiösen Bestimmtseins
in sich, dass das Wollen des Guten ein Product
seiner Selbstbestimmung und göttlichen Wirkens, ein Product
der Freiheit und Gnade ist, und ebenso weiss er, dass das
Wachsthum in der Erkenntniss Gottes, also in der Wahrheit,
und das Wachsthum im Wollen des Guten ein und dasselbe
ist, nichts anders, als ein Wachsen in die Ewigkeit selbst
hinein. Das zu predigen, so zu predigen, dass er Beistimmung
findet, ist die Aufgabe des Geistlichen. Damit hat er genug
gethan. Denn solches Beistimmen ist sich erlösen lassen,
ein Herabziehen himmlischer Kraft ins irdische Leben, wie
es ein Hinausgreifen über die Grenzen unsers zeitlichen
Lebens ist Kuno Fischer sagt einmal im Kolleg — ich
weiss nicht, ob er das schöne Wort auch irgendwo hat
drucken lassen: — 'Wüssten wir, was der Tod ist,
so brauchen wir keine Kirche; da wir das nie
wissen werden, so werden wir stets eine Kirche
brauchten', d.h. eine Anstalt, die wie ein Finger Gottes
hinweist auf etwas, was hinter dem Vorhang dieser unvollendeten
Welt ruht, und das wir nicht mit Wissen, aber
mit Glauben erfassen. Und das ist mehr als Wissen, nach
seinem Werthe für das Leben gemessen. Auf diesem Glauben,
wohlgemerkt, nicht auf dem Dogma, von dem unsere heutige
Welt los ist für immer, sondern auf dem Glauben an
eine Vollendung der Dinge und der Geister steht
die moralische Welt, wie unser Glück drauf steht. Wo der
Mensch nicht das Ewige im Zeitlichen erfasst, da ergiebt es
sicn von selbst, dass er das Leben zum Leben machen will
durch den Genuss; damit führt er den Tod herbei, jenen
Unwerth alles Daseins, unter dem er wie seine Würde, so
sein Glück und seine Freude begräbt. Denn es giebt
schlechterdings keinen Genuss auf Erden, ebenso wie es
keinen Besitz giebt, aus dem die Empfindung des Glückes,
aus dem die Freude kommen müsste. Aber wohl giebt
es Glück und Freude, die dauert, sobald der Mensch anfängt,
sich selbst als ein Glied der göttlichen Ordnung und sein
Thun als ein von Gott in dieser Ordnung bestimmtes zu
erfassen." —
Bibliographie.
(Fortsetzung von Seite 288.)
Frei, Dr. Carl du: — „Die Pflanzen und der Magnetismus." —
Artikel in „Ueber Land und Meer" (Stuttgart, No. 46, 1886.)
Separat-Äbdruck.
rreL Carl du, Dr. phil.: — „Justims Kerner und die Seherin von
Irrevorst." Mit einer photographischen Aufnahme von J. K.
und Zeichnungen aus dem Skizzenbuche von Gabriel Max. (Leipzig
, Th. Griebels Verlag [L. Fernau], 1«86.)
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