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Kiesewetter: Die Theorie der psychischen Kraft etc. 343
Johann Baptista van Helmont baut das Lehrgebäude
des Paracelsus weiter aus und sucht namentlich in der
„psychischen Kraft" die Ursache der magischen Wirkung
des Menschen auf die Aussenwelt. Er betrachtet den innern
Menschen als das Ebenbild Gottes, welcher wie dieser durch
einen blossen Wink in die Ferne wirkt mit Hülfe einer
gewissen, in der ganzen Natur verbreiteten magischen Kraft,
vermöge welcher allein der innere Mensch überhaupt auf
auf seine körperlichen Glieder zu wirken vermag. Nennt
man diese Kraft eine magische, so kann nur der Ungebildete,
der magisch mit teuflisch verwechselt, darüber erschrecken
; um aber diesem Missverständniss auszuweichen,
meint Helmont, könne man die magische Kraft auch „geistige
Stärke" (spirituale robur) nennen, denn auf den Namen
komme es ja nicht an.*) Diese Kraft ist im ganzen Menschen
verbreitet und zwar am meisten in der Seele, welche — als
gänzlich unkörperlich — durch sie auf den halbmateriellen
Lebensgeist und den materiellen Körper einwirkt, der sonst
keine Befehle der Seele empfangen könnte.**)
„Diese Kraft ruht wie schlafend oder trunken in uns
und wirkt, wenn sie erweckt worden ist, bis in die fernsten
Gegenden, was ich als ein grosses Geheimniss bis jetzt
verschwiegen habe. Allein durch den Willen und die
Imagination wirkt der Mensch aus sich hinaus, drückt seine
Kräfte ein und übt eine gewisse Influenz von bleibendem
Einfluss auf das Objekt aus, sei dasselbe auch noch so weit
entfernt. — Die im Menschen verborgene Kraft ist eine
gewisse ekstatische Macht, welche nicht wirkt, wenn sie nicht
von der durch glühendes Verlangen entzündeten Einbildungskraft
geweckt wird. Sie ist eine geistige Kraft, die nicht
vom Himmel herabkommt, noch viel weniger von der Hölle,
sondern von dem Menschen selbst, wie das Feuer aus dem
Kiesel. — Der menschliche Wille aber ist die erste und
höchste aller Kräfte, er ist die Grundursache aller Bewegungen
, denn durch die Kraft des Willens des Schöpfers
wurde Alles geschaffen, und dieser Wille ist Eiganthum aller
geistigen Wesen, bei denen jene durch Gegenwirkungen mehr
oder weniger beschränkt werden können; wo die Kraft
grösser bei dem Einwirkenden oder bei dem Widerstand, da
wird sich die Einwirkung mit oder ohne Erfolg zeigen." ***)
Ueber die Art und Weise der Beeinflussungen der
Lebewesen durch die „geistige Stärke" stellt Heimoni eine
*) „De magnetica vulnerum curatione" §§ 83. 84.
**) Ibid. § 98.
***) „De magn. vuln. cur." §§ 99. 76. 168. 172.
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