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M&aok: E. T. A. Hoffmann als Mystiker.
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Veronica begnügt sich mit dem zum Hofrath ernannten
Registratur Heerbrand, und Anseimus erringt Serpentina
durch seinen Glauben und seine Liebe, Sie erklärt ihm,
was es mit ihr und ihrem Vater für ein Bewandniss habe.
w ... Findet sich dann in der dürftigen armseligen Zeit der
inneren Verstocktheit ein Jüngling, der im dunklen
Hollunderbusch die lieblichen Krystallstimmen vernimmt,
ja, blickt ihn eine der Schlänglein mit ihren holdseligen
Augen an, entzündet der Blick in ihm die Ahnung des
fernen, wundervollen Landes, zu dem er sich muthig emporschwingen
kann, wenn er die Bürde des Gemeinen abgeworfen
, keimt mit der Liebe zur Schlange in ihm der
Glaube an die Wunder der Natur, ja an seine eigene
Existenz in diesen Wundern gluthvoll und lebendig auf, so
wird die Schlange sein .... „'Erlaube, Herr*, sagte der
Erdgeist, 'dass ich diesen drei Töchtern ein Geschenk mache,
das ihr Leben mit dem gefundenen Gemahl verherrlicht.
Jede erhält von mir einen Topf vom schönsten Metall,
das ich besitze; den polirte ich mit Strahlen, die ich
dem Diamant entnommen; in seinem Glänze soll sich
unser wundervolles ßeich, wie es jetzt im Einklang mit
der ganzen Natur besteht, in blendendem herrlichem
Wiederschein abspiegeln, aus seinem Innern aber in
dem Augenblick der Vermählung eine Feuerlilie ent-
spriessen, deren ewige Blüthe den bewährt befundenen
Jüngling süss duftend umhängt. Bald wird er dann ihre
Sprache, die Wunder unseres Reiches verstehen und selbst
mit der Geliebten in Atlantis wohnen'. . . . 'Mein Vater
hat mir oft gesagt', spricht Serpentina, 'dass für die innere
Geistesbeschaffenheit, wie sie der Geisterfürst Phosphorus
damals als Bedingniss der Vermählung mit mir und meinen
Schwestern aufgestellt, man jetzt einen Ausdruck habe, der
aber nur zu oft unschicklicher Weise gemissbraucht werde *,
man nenne das nämlich ein kindliches poetisches Gemüth.
Oft finde man dieses Gemüth bei Jünglingen, die der hohen
Einfachheit ihrer Sitten wegen, und weil es ihnen ganz an
der sogenannten Weltbildung fehle, von dem Pöbel verspottet
würden. Ach, lieber Anseimus! Du verstandest ja
unter dem Hollunderbusch meinen Gesang — meinen Blick,
— Du liebst die grüne Schlange, Du glaubst an mich und
willst mein sem immerdar! — JDie schöne Lilie wird emporblühen
aus dem goldnen Topf, und wir werden vereint
glücklich und selig in Atlantis wohnen V Und so geschah
es!" — Hier ist das Märchen, weiches uns zeigt, dass durch
den Glauben des kindlichen Gemüths an eine übersinnliche
Welt (Serpentina) diese nicht nur erkannt (erlebt), sondern
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