http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1887/0389
Prof. N.: Die geistige Mechanik der Natur. 377
Der Materialismus will aber von diesen Dingen
nichts wissen; er glaubt, das Denken entsteht aus den
Nerven und dem Gehirn, und er enthebt sich so der Mühe
das Princip zu finden, nach welchem die geistige Entwicke-
lung aus den mechanisch-chemischen Prozessen des Leibes
folgt. Er bildet sich seine Meinung auf Grund seiner
irrigen Auffassung von Kraft, Materie und Raum, und
hält den Glauben an diese abnormen Erscheinungen für
Aberglauben, die Thatsachen für nicht wahr; er verkündet
mit der Pflege dieser Erscheinungen die Rückkehr in die
finsteren Zeiten der Unwissenheit und vergisst ganz und
gar, dass gerade er die Unwissenheit in den uns tief berührenden
psychischen Verhältnissen fortzuerhalten sich bemüht
.
Der Materialismus wäre vollkommen im Rechte, wenn
er den Missbrauch abnormaler Naturerscheinungen zu verwerflichen
Zwecken tadeln würde; aber diese wichtigen
Phänomene ins Lächerliche zu ziehen und sie mit den
Resultaten von Fingerfertigkeiten und Künsten der
Gaukler und höher stehenden „Zauberkünstler" in eine
Linie zu stellen, dazu ist er so lange nicht berechtigt, als
er die Irrthümer seiner Fundamente für heilige und unantastbare
Wahrheiten hält. Dieser Irrthümer wegen ist
der Materialismus in der Wissenschaft auch so gefährlich
für die menschliche Cultur; denn behauptet er, das Denken
sei ein Ergebniss der Nerven- und Gehirnthätigkeit, so ist
der Tod das Ende jedes individuellen Daseins, und in der
That hat sich dieser Unglaube als Glaube bis in die niedersten
Volksschichten verbreitet und diesen jeden religiösen Trost
geraubt, dessen sie in den Kämpfen des Lebens so sehr
bedürfen. Der Raub des Glaubens an die persönliche Unsterblichkeit
, an die Consequenzen seines irdischen Thuns
und Lassens in einer übersinnlichen Welt ist der grösste
Fluch, den die Wissenschaft derzeit über die Menschheit
verhängt; die Mordwaffe zur Hand, ist das Losungswort
unserer Zeit — denn mit dem Tode ist der Mensch aller
Verantwortung, aller Leiden entrückt. So folgt es aus den
modernen Lehren der materialistischen Naturwissenschaft!
(Fortsetzung folgt.)
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1887/0389