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Prof. N.: Die geistige Mechanik der Natur. 413
der Arten eines Lebewesens ergiebt, ehe sich aus ihnen andere
Arten entwickeln können.
Aber auch der zweite Punkt ist von Einfluss auf die
Lebensvorgänge. Wenn nämlich die Lebenskräfte der Einzeln-
zellen den neu werdenden, organisirenden Lebenskräften
Kraftatome entziehen und dadurch ihr n vergrössern, so muss
die Wirkungsfahigkeit der Einzelnlebenskräfte als solche abnehmen
, und in Folge dessen muss sich der Lebensprozess
in den Zellen vermindern, und bei hinreichender Vergröberung
hören die Einzeln-Lebenskräfte der Zellen auf, das zu sein,
was sie waren, die Zellen sterben ab, und je nach den
Lebensverhältnissen der Lebewesen werden die Zellen aus
dem physischen Mechanismus entfernt, oder aber in demselben
aufbewahrt. Die Arbeit einer Pflanze oder eines
Thieres, für die Nachkommenschaft durch Entwicklung von
Triebanlagen zu sorgen, ist somit auch die Arbeit zur eigenen
Vernichtung des Körpers.
Die Entwicklung eines neuen Lebewesens scheint im
Thierreich ungleich vielgestaltiger zu sein, als im Pflanzenreich
, indem das Thier nicht wie die Pflanze die zum Aufbau
und dem ganzen Lebensprozesse erforderlichen Stoffe ihrem
Standorte entnimmt, sondern zum Aufsuchen der Nahrung
an verschiedenen Orten angewiesen ist. Dieser wesentliche
Umstand hat die Entwicklung mannigfacherer Organe in den
Thieren zur Folge, welche stets einem Motiv folgt und immer
eine bedingte ist. Die organisirenden Lebenskräfte steigern
sich in ihrer Intelligenz, indem sie durch den Lebensprozess,
der aus dem mannigfaltigen gegenseitigen Einwirken der
Kräfte aufeinander entsteht, Kraftatome an andere Kräfte
abgeben. Diese Steigerung der Intelligenz führt zu dem
wesentlichen Entwicklungsgrade, der als Empfindung
bezeichnet wird. Empfindung ist eine Wahrnehmung, welche
einer Kraft zukommt; allein hier ist nicht Empfindung im
Allgemeinen gemeint, wie sie ja auch die unbelebten Stoffe
zeigen, sondern die Empfindung in jener Stufe, in welcher
sie schon Vergleiche der Empfindungen anzustellen vermögen
; es sind dies bewusste Empfindungen.
Mit der Entwicklung zu bewussten Empfindungen ist
noch eine Befähigung im AVerden begriffen, und dies ist der
Wille, d. i. das Vermögen höher entwickelter Lebenskräfte,
selbstveranlassend in ihr Leben, oder in das anderer Kräfte
einzugreifen.
Die bewussten Empfindungen und der Wille vereint
führen zu jenem Theile des Lebensprozesses, welcher über
die eigene Existenz eines Thieres hinaus auch andere
Existenzen zu erkennen beginnt, nämlich zum Denken.
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