http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1887/0427
Prof. N.: Die geistige Mechanik der Natur.
415
äussere vermittelnde, durch die Sinnesorgane aufgenommene
Kräfte ihm zuzuleiten, und ebenso gehen vom Gehirne andere,
die sogenannten motorischen Nerven aus, um Körperbewegungen
zu veranlassen.
Wir müssen nun eine solche Denkkraft eines Sinnesorganes
näher untersuchen und wollen sie allgemein als eine
Sinn es kraft und mit s bezeichnen. Natürlich ist sie wie
jede andere Kraft von der allgemeinen Form s = njt oder
s == n (am). Ihren Sitz haben wir nicht im Auge selbst,
welches wir hier als Stellvertreter aller Sinnesorgane ansehen
wollen, sondern am Ende der Nervenleitung im Gehirne,
also in einer Nervenzelle desselben zu suchen. Das Auge
als äusseres Sinnesorgan ist nur ein mechanisches Mittel,
welches die organisirenden Kräfte so geschaffen haben, um
die Verschiedenheiten der einlangenden Lichtkräfte p zu
unterscheiden und an die Art und Weise, wie dieses Organ
die Lichtkräfte aufnimmt und weiter zur Sinneskraft s leitet,
die Vorstellung zu binden, welche die Sinneskraft s von dem
Objekte oder der Ursache empfängt. Stellen wir uns vor,
wir richten den Blick auf ein Objekt O; dasselbe sendet im
gleichen Moment von den verschiedenen Stellen seiner Oberfläche
Lichtmoleküle nach den verschiedensten Eichtungen
aus, und es wird ein Bündel solcher Lichtkräfte p durch
den Augenmechanismus hindurch, der Nervenleitung entlang,
zur Sinneskraft s gelangen und mit ihr in Berührung treten.
Nun muss die Natur doch ein Gesetz festgestellt haben, in
welcher Weise Kräfte sich gegen einander verhalten, wenn
sie unter diesen oder jenen Umständen zusammentreffen, und
diesem Gesetze gemäss werden die einlangenden Lichtkräfte
p der Sinneskraft s Kraftatome jt entziehen. Dadurch verfeinert
sich die Sinneskraft s, sie empfängt durch die Wegnahme
von Kraftatomen jt Eindrücke, und die Gesammtheit
aller von allen Kräften p erzeugten Eindrücke hat aus der
Sinneskraft s eine neue Kraft g geschaffen, welche ich als
eine Bildkraft für das Denken oder als eine Gedankenbildkraft
bezeichne.
Im nächsten Momente tritt wieder ein Bündel solcher
Lichtkräfte in das Auge und durch dieses in die Gehirn-
Nervenzelle, und eine neue Sinneskraft s wird in eine Gedankenbildkraft
g umgewandelt. Auf diese Weise erzeugt
jeder Moment neue Gedankenbildkräfte, aber nicht in
rascherer Aufeinanderfolge, als die jeweilige Sinneskraft s
der Einwirkung exponirt ist. Man sieht also ein, dass die
Nervenzellen im Gehirn als Organismen zur Ansammlung von
Gedankenbildkräften dienen, und weil die im Gehirn in
Nervenzellen endenden Nervenfasern von den Nerven ab-
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1887/0427