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Wittig: Geist-Erscheinung oder Betrug im Jahre 1787? 419
andere Dinge offenbarenden bloss transcendentalen
Spiritismus immer räthselhaft geblieben, selbst bei
Professor Zöllner, der sich doch wesentlich auf Kant stützte
und in seinem „Kometenbuche" der heutigen Naturforschung
den Spiegel ihrer Prinzipienlosigkeit in der Erkenntnisstheorie
*) vorhielt, in dem er sich nur leider selbst zuerst
nicht mit bespiegelte, als die Beobachtung und Erklärung
der psychisch-mediumistischen Phänomene in Bezug auf die
vermeintlich dieselben bewirkende Geisterwelt in Frage kam,
bis er kurz vor seinem Tode in dieser Hinsicht plötzlich
klarer blickte.**) — Wir können eben von irdischen Verhältnissen
aus ebenso wenig sicher und exact auf die der
transcendenten Geisterwelt schliessen, als wir von der Erde
aus auf genau dieselbe Beschaffenheit der fernsten Fixsterne
schliessen dürfen. Wir sehen dies ja schon aus der bis jetzt
durch geschärfte Beobachtung erschlossenen totalen Verschiedenheit
der Natur der Sonne \on der Natur der Erde.
Darum wäre es ähnlich unvorsichtig, von unserem irdischen
Geistesleben aus voreilig analog auf die uns noch so trans-
scendent liegende Geisterwelt schliessen zu wollen. Nur die
nächsten uns umgebenden Erdzonen mit ihrer Geschichte und
räumlich-zeitlichen Gegenwart sind für uns transcendental,
d. h. noch verhältnissmässig für unsere Sinne und deren
Werkzeuge erreichbar und über- oder ersteiglich, aber niemals
sind dies die transcendenten Gegenpole des Diesseits. Wir
wissen nur und dürfen als einzig gewiss vermuthen, dass
diese Gegenpole noch mit unseren aequatorialen und gemässigten
Lebenszonen in einem (wenn auch unendlich entfernten
) Zusammenhange stehen, aber diese uns nahen Verbindungsglieder
sind doch nicht der Pol selbst, den wir
erstreben.
Sonach scheint das Eine sicher zu sein, dass wir in
den sogenannten Geistererscheinungen Reflex- oder
Spiegelbilder des psychischen Gemüths-Innenlebens der
Medien und Cirkel in Bezug auf jene transcendente Geisterwelt
vor uns haben und von ihr alte reale Erinnerungsbilder
mit neuen idealen Vorstellungsbildern gewinnen, aber dass
wir niemals mit dieser reinen Geisterwelt selbst in sinnlichem
Contact sind. Damit kann die ganze denkende
Welt übereinstimmen.
So erkläre ich mir die wundersamen Vorgänge bei der
Seance des Königs Friedrich Wilhelm IL im Jahre 1787 auf
*) S. meine „Kritik einer Caplanskritik" in „Psych, Stud." Mai-
Heft 1884 S. 230 ff.
**) S. meinen Artikel: „Professor Zöllner war kein Spiritist um
jeden Preis". „Psych. Stud." 1883 S. 387 ff.
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