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Kurze Notizen.
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Gangliensystem fähig ist/ — ,Und Du sprichst in Räthseln/
fügte Henselt trocken hinzu, — Da auch mir der Fürst den
betreffenden Schopenhauerschen 'Versuch* zum Lesen gegeben
hatte, gestattete ich mir erläuternd zu bemerken: — ,Unser
Gangliensystem soll uns nämlich nach Schopenhauer zum
sogenannten Wachträumen, zur Wahrnehmung gewisser
selbsterzeugter Spukgebilde befähigen, und der Philosoph
meint, dass allerdings das, was wir durch das Gangliensystem
im Wachträumen sehen, jedesmal vom kritischen,
innerlich blinden Gehirn wieder vernichtet und daher
weggestritten werde/ — ,Viel klüger bin ich auch jetzt noch
nicht geworden,4 meinte Henselt, und indem er sich an den
Pürsten wandte, fragte er ungeduldig: — ,Was in aller
Welt siehst Du dean vermöge Deines erleuchteten Gangliensystems
?' — ,Die Gestalten ferner Abwesender, selbst
Verstorbener, die der Sprachgebrauch nun einmal als
Geister bezeichnet/ — Alexander und Miss Matal waren
von ihrem Spaziergange zurückgekehrt und traten zu uns
ins Zimmer. — Adolf Henselt schüttelte zu der Erklärung
des Fürsten aufs neue den Kopf und sagte offenherzig; —
,Tch habe in meinem Leben noch kein Gespenst gesehen/
,Das beweist gar nichts/ — entschied der Fürst. ,Der
Wille eines Andern ist es, der uns eine solche Erscheinung
hervorruft. Wenn ich scharf und beharrlich an einen
Abwesenden denke, dann wird er, vorausgesetzt, dass er
dazu disponirt ist, meinen Geist erscheinen sehen/ — ,Das
ist denn doch zu arg/ platzte der Oberst lachend heraus.
fiergei Alexjewitsch, Sie worden geradezu unheimlich, und
diese junge Dame wird sich bald vor Ihnen fürchten/ Er
deutete dabei auf Maud. — Die Erwähnte erröthete flüchtig
und wandte sich etwas verwirrt ab. Der Fürst zeigte sein
sarkastisches Lächeln und sagte verbindlich: — ,0, Miss
Mund fürchtet sich nicht; dazu ist sie viel zu klug/ —
Mir schien der Fürst mit seinem Feuereifer für eine
immerhin recht dunkle und allerlei Missverständnissen ausgesetzte
Sache auf einer recht abschüssigen Bahn; daher
wagte ich gegen Henselt und Pawlow die bescheidene Bemerkung
: — ,\Venn man solche Visionen, wie sie der
Fürst erwähnt uud wie sie durchaus glaubwürdige und
aufgeklärte Personen gehabt haben, erklären will, — ich
erinnere Sie an (Joethe, der sich einmal selbst gesehen hat
— so muss man nach dem Frankfurter Philosophen den-
absurden Standpunkt des Spiritualismus, der zwei grund,
verschiedene Substanzen des Menschen, nämlich Leib und
und Seele, annimmt, entschieden aufgeben und sich auf den
des Idealismus stellen. Dann verlieren solche Geister-
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