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454 Psychische Studien. XIV. Jahrg. 10. Heft. (October 1887.)
dingt notwendigerweise eine Störung im Organismus, die
sieh in ehemischen Prozessen äussert, indem chemische Verbindungen
entstehen, welche nach Gesetz (A) (S. 221)
mechanische Kräfte freigeben. Die entstehenden chemischen
Verbindungen lagern sich in den physischen Nervenzellen
ab und bilden die sogenannten Ermüdungsstoffe. Vor
der chemischen Verbindung in den Nervenzellen waren aber
diese Stoffe dem Blute entnommen worden, welches hierdurch
eine Veränderung erlitt und nun zu seiner Wiederherstellung
der Nahrungszufuhr bedarf. Mithin ist es
klar, dass das Denken einen Nahrungsverbrauch
zur Folge haben muss.
Die aus den Kräften p durch Rückbildung entstehenden
Kräfte r werden in ihrer Zusammensetzung davon abhängen,
welche Art von Gedankenbildkräften erzeugt werden, welcher
Beschaffenheit die Sinneskräfte s sind, auf welche die p
wirken, und endlich, wie die p selbst zusammengesetzt sind.
Sie bewegen sich auf den motorischen Nerven und werden
durch die Impulse aus dem Innern der Geistkraft zu den
motorischen Nervenendigungen geleitet.
Ist es der Wille des Geistes, dass sein ihm zugeordneter
äther-physischer Körper mechanische Arbeit verrichte,
so werden die durch den Geist geleiteten zurückgebildeten
Kräfte r auf die entsprechenden motorischen Nerven geleitet
, und auf dem Wege dahin veranlassen sie chemische
Verbindungen, welche entsprechende Muskelcontractionen
nach sich ziehen. Die nach Gesetz (A) frei werdenden
Kräfte werden durch die arbeitenden Organe auf die Körper
der Aussenwelt übertragen, und so entsteht indirekt
die Wirkung des immateriellen Geistes auf die
materielle Welt!
Gehen wir jetzt zur Betrachtung eines eigenen Sinnes
im Menschen über, durch dessen mannigfaltige Entwicklung
er sich vom Thiere sehr unterscheidet. Unter einem Sinn
verstehen wir den organisirten Zusammenhang einer Eeihe
von Kräften, welche in gleicher Art empfinden. Nun haben
wir aber noch ganz andere Empfindungen als jene des
Sehens, Hörens, Eiechens, Schmeckens und Fühlens, nämlich
Empfindungen wie: Freude und Trauer, Liebe und Hass,
Wohlbefinden und Schmerz, Hoffnung und Verzweiflung u. a. m.,
und diesen Empfindungen zusammen muss ein organisirter
Zusammenhang von Kräften als Sinn entsprechen: er ist
das Gemüth, welches einen inneren Sinn des
Menschen bildet, für welchen im Thiere nur geringere Anlagen
zu treffen sind. Der Sitz der Gemüthskräffe liegt in
anderen Nervenzellen, als in jenen des Grosshirns. Jeder-
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