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Wittig: Ein Wort der Verteidigung f. d. psychische Theorie. 459
unseres irdischen Leibes, dass sie ferner nur organisirte
Materie sollte formen können, — das sind ganz ungerechtfertigte
Annahmen, und wenn wir diese Annahmen fallen
lassen, so stehen wir unmittelbar vor der Möglichkeit von
Materialisationen. Sobald wir aber den richtigen Seelenbegriff
gewinnen und einsehen, dass die Seele sowohl
organisirend, als denkend ist, so ergiebt sich, dass Materialisationen
, weit entfernt, undenkbar zu sein, sogar nothwendig
sind. Bs ist also rein gar nichts einzuwenden gegen die
Möglichkeit von Phantomen, die — wie Professor Crookes
in London bewiesen hat — mit einem sichtbaren Leibe
sich darstellen, an welchem Herzschlag und Pulsschlag zu
constatiren sind, die ferner als intelligente Wesen mit uns
verkehren, und die mit dem betreffenden Medium auf einer
Platte photographirt werden können, womit wohl der Einwand
von Vermummungen des Mediums oder von Halluci-
nationen der Zuschauer gründlich beseitigt ist." — Uns
scheint das noch nicht der Fall, trotz Mr. Crookes, dessen
zur Zeit hervorragende Eigenschaften als Physiker und Beobachter
wir freudig anerkennen. Wir haben es bei echten
Medien doch wohl mehr mit psychischen als physischen
Phantomen zu than, weil schon der Begriff eines jenseitigen
Geistes von vornherein jedem grobsinnlichen
Wesen und Eindrucke desselben widerspricht, die ja nur
auf dem Hintergrunde eines medial so veranlagten Organismus
visionär denkbar sind; Vermummungen von Helfershelfern
des Mediums sind auch nicht total ausgeschlossen,
wie ich fast in allen bis jetzt berichteten Materialisations-
Fällen nachweisen könnte, da sie meist durch roatinirte
Professionsmedien zu Stande kamen; und eine hallucinato-
rische Einwirkung auf alle Sinne von einem so veranlagten
Medium aus ist nur noch nicht an genügend vielen Fällen
und durch gewiegte Physiologen und Psychologen studirt
worden.*) Die allerhöchste Vorsicht und Umsicht ist geboten
, wo es gilt, solche weittragende Schlüsse darauf
zu bauen, dass diese Phantome nicht blos verkörpert-
scheinende visionäre Phantasiegebilde solcher Medien, sondern
sogar leibhaftige jenseitige Geister selber sein sollten.
*) Ein eklatanter Fall dieser Art ist der im October-Heft 1882 der
„Psych. Stud." S. 469 ff. berichtete von einer seltenen Kraftbegabung
eines Orientalen. Man vergleiche hierzu noch die
früher und die jetzt bekannt gewordenen Fälle im Hypnotismus unter
Kurze Notizen sub e) im September-Heft 1887 der „Psych. Stud."
S. 427 ff.t wie die Sinne positiv und negativ beeinflusst werden
können, so dass sie Anderes wahrnehmen, als was wirklich vorhanden
ist, und umgekehrt auch das wirklich Vorhandene gar nicht percipiren.
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