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470 Psychische Studien, XIV. Jahrg. 10. Heft. (October 1887.)
diese Puppe zu entfernen, so konnte es niemand vor Lärm
des Nachts im Hause aushalten. Wie aber das Gepolter
mit der Puppe zusammenhängen sollte, ist mir nicht mehr
erinnerlich. Zu diesen verrufenen Gebäuden in Zittau gehörte
nun auch das Gymnasium, und zwar hatten sich hier die
Geister oder Gespenster zum Schauplatz ihrer Thätigkeit
die Prima erkoren. Diese Klasse hing mit der Amtswohnung
des Directors durch ein kleines Zwischenzimmer zusammen,
in welchem etwas später die neu gegründete Schulbibliothek
Aufstellung fand.
,,Man wollte wissen, dass bei jedesmaligem Rektoratswechsel
unerklärbare Erscheinungen in den erwähnten
Bäumen sich gezeigt hätten. Das sollte jetzt wieder der
Fall sein. Leute, die über den St. Johanniskirchhof gegangen
waren, wollten in später Nachtstunde die Fenster
der Prima hell erleuchtet und schattenhafte Gestalten darin
auf- und niederschweben gesehen haben. Andere hatten auch
Stimmen wie von Streitenden und polterndes Geräusch gehört
. Da nun der Director bald nach Entstehung dieser
Gerüchte in schwere Krankheit fiel, so liess sich der Spiess-
brrger nicht nehmen, dass sich der fremde Mann über den
Spuk, der ja doch ihm allein gelte, zu Tode erschrocken
habe. Neugierige aus allen Ständen pflanzten sich des Nachts
um die Spukzeit auf dem Johanneskirchhofe auf, um mit
eignen Augen das Aufleuchten der gespenstischen Lichter
zu seben, und es gab nicht wenige, die auch wirklich die
Erscheinung beobachtet haben wollten. Die Ungläubigen
aber meinten, es möge wohl ein in optischen Experimenten
wohlerfahrener Spassvogel die abergläubische Neigung seiner
Mitbürger benutzen und ihnen durch seine Kunststücke
etwas zu rathen aufgeben. Die Umgebung des Gymnasiums
eignete sich zu solchen Experimenten ganz gut.
„Bald nach diesen Vorgängen starb Conrector Rneschke,
der wohl am wenigsten mit dem neuen Director harmouirt
haben mochte, da er an der Spitze der Vertreter des Ueber-
iieferten stand. Ihm folgte Subrector Lachmann im Amte,
und an dessen Stelle trat ein noch junger Philolog und
Theolog von unverwüstlicher Arbeitskraft, Namens Rückert,
der sich als gelehrter und scharfsinniger Erklärer der
Paulinischen Briefe in der theologischen Welt einen bedeutenden
Namen machte, später einen Euf nach Jena
ei hielt und dort, wenn ich nicht irre, als Professor der
neutestamentlichen Exegese gestorben ist." U. s. w.
Wir brechen hier kurz vor dem Schlüsse der interessanten
Erzählung ab, das Weitere und Uebrige, als nicht
mehr zu unserem Thema gehörig, übergehend. Was aus
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