http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1887/0548
536 Psychische Studien. XIV. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1887.)
„Noch König?"
„Ich wagte nicht, mich hierüber auszusprechen; da aber
Ew. Majestät mich dazu auffordern, glaube ich, Ihnen zu
gehorchen, indem ich rede. Sie erinnern sich wohl, Sire,
des Nebels, der vor einigen Tagen war, so dass man nicht
vier Schritt weit sehen konnte. Die Könige (ich spreche
im Allgemeinen) sind von noch dichteren Nebeln umhüllt,
welche die sie umgebenden ungetreuen Höflinge, Priester
und Minister aufsteigen lassen. Mit einem Worte: Alle
verstehen sich darin, gekrönten Häuptern die Dinge im
falschen Lichte zu zeigen."*)
„Ach, eben denke ich daran," sagte Ludwig XV., plötzlich
den Gegenstand der Unterhaltung wechselnd, „man hat mir
gesagt, Graf, Sie hätten das Geheimniss gefunden, die
Diamanten von Flecken zu befreien."
„Es ist mir zuweilen gelungen, Sire."
„In diesem Falle sind Sie der Mann dazu, mich an
diesem hier 4000 Francs gewinnen zu machen." — Hierbei
zeigte der König dem Grafen einen Diamanten, den er aus
seinem Secretär genommen hatte.
„Der Fleck ist» etwas gross/' sagte Saint-Germain, nachdem
er den Diamanten betrachtet hatte, „aber es ist dennoch
nicht unmöglich, ihn fortzuschaffen. Ich werde Ew, Majestät
den Stein in vierzehn Tagen zurückbringen."
„Ich wiederhole es, Sie liessen mich 4000 Francs darau
gewinnen, denn mein Juwelier, der ihn jetzt 6000 Francs
schätzt, versichert, 10,000 Francs dafür zahlen zu wollen,
wenn er den Flecken nicht hätte."
Am bestimmten Tage waren Herr von Gontaut und der
Juwelier in dem Gemache des Königs, als der Graf Saint-
Germain erschien. Er zog den Diamanten aus seiner Tasche,
und die erstaunten Anwesenden erblickten ihn rein, wie
einen Wassertropfen. Das Gewicht des Brillanten, der
gewogen worden war, als der Graf ihn erhielt, hatte sich
durchaus nicht verändert, und der Juwelier erklärte dem
Könige, er sei bereit, jetzt 10,000 Francs für den Stein zu
bezahlen. Der ehrliche Mann fügte hinzu, der Graf Saint-
Germain müsse ein Zauberer sein; eine Benennung, auf
welche der Letztere nur durch ein Lächeln antwortete.
„Wahrlich, Herr Graf," sagte der Juwelier, „Sie müssen
ein Millionär sein, besonders wenn Sie die Kunst verstehen,
aus kleinen Diamanten grosse zu machen."
Der Adept sagte hierauf nicht ja, nicht nein, versicherte
aber mit der grössten Bestimmtheit, dass er im Stande sei,
) Güt noch für die actuellste Gegenwart! — Die Ted.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1887/0548