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Wittig: Ein gehaltenes Versprechen, sterbend zu erscheinen, 571
ohne Ausnahme verunglückten. Sie schob es auf das
stürmische Wetter und auch ein wenig auf meine Anwesenheit
, 'ich wäre den Geistern nicht sympathisch1. Ich
sprach mein Bedauern aus, die interessante Sitzung gestört
zu haben, und verabschiedete mich bei dem Fürsten, den
ich auch nie mehr wieder gesehen habe. Ich habe diese
Entbehrung gut ertragen.--Ernste Zeiten gingen für
mich vorüber. Mit den peinvollen Folgen einer schweren
Schussverletzung kämpfend, verlor ich mehr und mehr das
Interesse an den Freuden der Welt, löste meine gesell-
schaftlicl en Verbindungen und lebte einsiedlerisch nur der
Pflege meiner tief erschütterten Gesundheit. Als ich nach
langen Jahren der Ungeduld und immer neuer Enttäuschungen
endlich langsam zu genesen begann, begrüsste ich das lieben
wie ein neu erworbenes, mir noch unbekanntes Gut, die
Erinnerung an das Vergangene lag verschüttet unter den
Trümmern meiner HofFmingsbauten und meiner durch eine
feindliche Kugel zerstörten militärischen Laufbahn. So
war auch die Gestalt meines Freundes Alexander in meiner
Erinnerung verblasst, und es mochten Jahre vergangen sein,
ohne dass ich auch nur ein einziges Mal an ihn zurückgedacht
hatte. — Um so merkwürdiger war es, dass ich im
Februar des Jahres 1878 plötzlich von dem Bilde meines
Freundes auf Tritt und Schritt verfolgt wurde. Ohne jede
äussere Veranlassung musste ich Tag und Nacht an ihn
denken, obgleich ich nicht einmal ahnte, wo er sich in dieser
Zeit befinden mochte, und ob er überhaupt noch am Leben
war. Am 8. und 9. Februar artete dieses unablässige Denken
an ihn in eine mir noch unerklärlichere Beunruhigung aus,
so dass ich meinen Umgebungen davon Mittheilung machte
und die Absicht aussprach, mich nach dem fernen Freunde
doch einmal wieder zu erkundigen. Am 10. Februar trat
er so lebhaft, so plastisch greifbar vor meine inneren Sinne,
dass er mir, wenn ich ein bildender Künstler gewesen wäre,
hätte als Modell dienen können; er schien mir irgend etwas
zu sagen oder sagen zu wollen, und mich erfasste eine
förmliche Beängstigung, dass er nicht deutlicher sprach
und ich ihn durchaus nicht verstehen konnte. Noch am
selben Tage setzte ich mich hin und schrieb an seinen
Vater ein paar Zeilen, in denen ich um schleunige Nachricht
bat, wo sich Alexander gegenwärtig befände, und wie es ihm
erginge. — Dieser Brief ist nie an seine Adresse gelangt,
da ich nicht wusste, dass Adolf Henselt damals in der
Kirotschnaja in Petersburg wohnte. — Am andern Tage
nahm meine 'Beunruhigung' ab, und mit dem Ablauf einer
Woche war sie gänzlich geschwunden. Schon wollte ich
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