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Kurze Notizen. 575
Willen hypnotisiren. Auch das Vergessen derselben habe
seine Grenzen. „Wird der Unglückliche wiederum hypnoti-
sirt, so erinnert er sich oft mit überraschender Schärfe an
Alles, was sieh während der früheren Hypnosen mit ihm
zugetragen hat, und er wäre dann im Stande, genaue Angaben
darüber zu machen und den Verbrecher zu entlarven."
Steht das aber nicht in eklatantem Widerspruch mit der
oben behaupteten Macht des Operators, den Hypnotisirten
Alles vergessen zu lassen? — Doch „die Wissenschaft hat
stets einen gewaltigen Vorsprung vor den geübtesten Gaunern
und versteht ihre geheimen Schliche aufzudecken. Darin
liegt das beruhigende Moment der neuesten wissenschaftlichen
Forschungen über den Hypnotismus. Sie werden ein
neues Licht werfen auf viele noch unklare Erscheinungen
im Geistesleben des Menschen; sie werden auch vor das
richterliche Tribunal gerufen werden, und die Wissenschaft
wird den strafenden Arm der Justiz aufhalten, wenn er sich
gegen einen unglücklichen Somnambulen oder dergleichen
richtet, wie sie schon seit Anfang dieses Jahrhunderts die
armen Irren vor dem richterlichen Schwert zu schützen
weiss." — Am Schlüsse warnt sie vor dem Hypnotisiren
durch Laien und sogenannte „Amateurs", weil diese die
Gesundheit ihrer Patienten schwer schädigen könnten.
„Sonst könnten sie selbst leicht, wie dies schon der Fall
war, mit dem Strafrichter in nähere Berührung kommen
und zu empfindlichen Strafen verurtheilt werden." — Nun,
wer anders als solche Laien hat denn die Herren Aerzte
und die Wissenschaft erst auf den Hypnotismus mit drastischen
Experimenten hinweisen müssen? Würde nicht durch ein
solches Verbot allen weiteren Entdeckungen auf diesem
Gebiete der Lebensfaden durchschnitten werden? Haben
die Herren Aerzte in Deutschland seit Braid und Mesmer
sich als fähig erwiesen, einzig und allein über den Hypnotismus,
seine Wirkungen und Folgen zu urtheilen? Wir fragen das
angesichts ihres anfänglichen klassischen Humbuggeschreis
über Hansen in Berlin, Dresden uud Wien! Und wir
möchten auch vom Herrn Berichterstatter gern Fälle von
mit dem Hypnotismus verübten Gaunereien erfahren,
welche bereits den Strafrichter beschäftigt haben sollen.
Meint er damit etwa einige spiritistische Medien? Und
sollen etwa der Strafrichter und die ihn berathenden Gerichtsärzte
, die noch eben so wenig im 19. Jahrhundert von
diesen Dingen wissen, wie die Strafrichter, Aerzte und
Theologen des Mittelalters über die wahren Ursachen von
Hexerei und Zauberei, etwa die Leitsterne unserer
Forschungen und Experimente auf diesem Gebiete sein?
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