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Psychische Studien. XV. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1888.) 55
Zur Priorität des Gefühls.
Von Ferdinand Maack in Kiel
Wer philosophisch zu der Annahme gelangt ist, dass
.las ^ „Gefühl" — allgemein gesagt: ein unmittelbarer
n-imitivster centripetaler Vorgang, welcher, nachdem er
Jnlust oder Lust hervorgerufen hat, centrifugale Vorgänge
auslösen kann, — die Ur-Saehe der Kosmen ist, den muss
"is ungemein interessiren, ein Buch zu finden, welches auf
■aturwissenschaftlichem Wege die genannte Anschauung
insofern berührt, als es experimentell und vergleichend
-genetisch mit Hülfe der Thierpsychologie nachzuweisen
sucht, dass dem Geist das reine Gefühl zum
Ausgangspunkt dient. Dies thut Dr. Eugen Kröner in
, Das körperliche Gefühl. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte
des Geistes" {Eduard Trewendt, Breslau,
i 887, 210 Seiten). Wenn Verlasser auch selber meta-
ihysischen Spekulationen keinen Werth beizulegen scheint,
io wird umgekehrt die Philosophie sich oft naturwissenschaftliche
Untersuchungen zu Nutze machen, aber nicht,
veil sie nach dem Verfasser „zu acceptiren haben wird",
;ondern weil sie — richtig spekulirend — so sehr oft und
meist viel später ihre Ansichten exakt bestätigt findet. Doch
iem sei jetzt, wie ihm wolle, jedenfalls ist vorliegendes Buch
Philosophen und Naturforschern in gleicher Weise zur
Ijektüre anzurathen. Zur abschliessenden Würdigung der
Ansichten des Verfassers fehlt freilich noch der versprochene
\bschnitt über die biologische Bedeutung des körperlichen
iefühls, was uns aber nicht abhalten soll, schon heute einen
rheil der dargelegten Auffassungen anzudeuten.
Entsprechend seiner naturwissenschaftlichen
^orschungsmethode glaube ich hervorheben zu müssen, dass
/erfasser eine „Entwicklungsgeschichte" des Geistes liefern
/ill, keine — wenn ich so sagen darf — philosophische
metaphysische) Zeugung des Geistes. Er lässt das aut
iefster Stufe der Organismen bereits vorhandene
ilinimum von „Geist" aufwärts durch die Entwicklungseihe
der Lebewesen hindurch sich mehr und mehr entalten
.
Die erste Funktion in dieser Entwicklung des Geistes
st phylogenetisch wie ontogenetisch das „Gemeingefühl".
! Herbei schliesst Verfasser allgemein auf „Geist", „wenn sich
•wischen Eeiz und Handlung Empfindung (Bewusstsein) ein-
chiebt" (p. 35) [während er „Seele" rein ins physiologische
'■ebiet herüberzieht], und definirt „Gemeingefühl" als „die
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