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Carl du Preis Wohin führt der Hypnotismus?
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Für diese Thatsachen sind nur zwei Erklärungshypothesen
möglich: die spiritistische und die hypnotische
. Nach der spiritistischen Hypothese müssten
die sogenannten Geister das vasomotorische Nervensystem
des Mediums eben so beherrschen, wie die motorischen
Nerven beim unbewussten Sprechen oder beim Psychogra-
phiren. Die hypnotische Hypothese dagegen scheint
sich schon darum zu empfehlen, weil der Zustand
der Medien auf Selbsthypnotisirung beruht. Immerhin aber
müssten wir — dazu zwingen uns die Thatsachen — den
Medien noch die weitere Fähigkeit zusprechen, dass sie die
geschriebenen Namen hellsehend, oder die gedachten
Namen durch Gedankenübertragung erkennen. Aber selbst
bei dieser hypnotischen Erklärung erhält die menschliche
Psyche ein Ansehen, dass sie sich von den sogenannten
Geistern nicht mehr stark unterscheidet; sie erscheint nämlich
nicht bloss als Beherrscherin des Organismus, sondern
sogar, da sie ihre Vorstellungen in organisch-plastischer
Weise darzustellen vermag, als Bildnerin des Organismus. Mit
andern Worten: wir müssten eine monistische Seelenlehre
adoptiren, der gemäss die Seele sowohl organisirend, als
denkend ist. Eine organisirende Seele muss aber ihr Produkt
, den Körper, überleben; sie muss nach dem Tode die
Fähigkeit behalten, sich in organischen Formen darzustellen,
und damit stände der Skeptiker, der die hypnotische Hypothese
natürlich vorzieht, schliesslich doch — horribile
dictu! — vor der Nothwendigkeit, Materialisationen
anzunehmen. Die hypnotische Erklärung schlägt also von
, selber in die spiritistische um; die Seele des Hypnotisirten
i wäre ein sogenannter Geist.
5 Verbleiben wir übrigens beim Hypnotismus. Die
neueren Experimente der französischen Aerzte bringen jedenfalls
unsere stigmatisirten Jungfrauen wieder zu
Ehren, die Professor Virchow bereits begraben hatte.*) Auch
das Versehen der Schwangeren erklärt sich nun.
Wenn die menschliehe Seele durch Vermittlung der vaso-
motorischenNervenNamenszügeauf dem Arm erzeugen kann, so
ist nicht einzusehen, warum sie nicht auch andere Vorstellungen
ihrer Phantasie, wenn sie von denselben lebhaft erregt und tief
aufgewühlt wurde, in ekstatischen Zuständen — in welchen
überhaupt die transcendentalen Kräfte des Menschen zur Erscheinung
kommen — nach aussen projiciren, zunächst am
eigenen Körper organisch darstellen sollte. Die sympa-
ihetische Versenkung in die Leiden Christi bei tief religiösen
Virchow: „Ueber Wunder." —
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