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88 Pyschische Studien. XV. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1888.)
Verstorbene sich bis zum letzten Tage in Familie und
Oeffentlichkeit höchster Achtung erfreut, dann inkarnirt sich
der böse Geist in ihm und irrt als Jer auf der Erde
umher, dort dieselbe schwere Krankheit verursachend, an
der die Person gestorben war. Hieraus ist ersichtlich, wie
zahlreich diese Jere sein mussten. . . Einige werden ganz
ausserordentlich gefürchtet____ Kinder sterben oft, weil sie
die Nähe des bösen Geistes nicht aushalten können. Ihre
Seele fliegt in Gestalt von Vögelchen zum Himmel und muss
sich dort nach dem Willen Gottes aufs neue verkörpern. —
Die menschliche Seele bleibt nach dem Tode bis zum Be-
gräbniss im Körper. — Dem Wahrsager ist es möglich, die
menschliche Seele zu hören und zu sehen. — Die Seelen
der Menschen hinterlassen auf der Erde bei ihren Bewegungen
keine Spuren. Die eigentliche Seele verursacht kein Geräusch.
Die Jere dagegen lärmen und singen wie Öie Menschen.
Vor der Empfängniss spielen die Seelen der Kinder zuweilen
in der Asche des Kamins. — Die Seele ist unsterblich und
kann sich mehrmals verkörpern (incarniren). — Die Seele
eines Menschen, der seine Familie und seine Heimath sehr
liebte, kann bis zur Incarnation die Erde besuchen und verwandelt
sich in ein unschuldiges Vögelchen. — Die menschlichen
Seelen sind immer schuldlos. Bis zur neuen Incarnation
führen sie im Himmelsraum ein sorgloses Leben, gleich
Schmetterlingen. Sie haben von Gott weder Belohnung für
das Gute, noch Strafe für das Böse zu erwarten, nur dass
die guten Seelen schneller wieder zu einer Incarnation
gelangen. Das Böse auf der Erde geschieht ohne Mithülfe
der Seele, allein durch den Teufel, der sich an ihre Stelle
setzt. Die Seele widerstrebt dem Bösen, allein der Teufel
ist stärker als sie, — In einigen seltenen Fällen gelangten
träumende Menschen in den Himmelsraum, wo die Verstorbenen
und noch nicht wieder Incarnirten weilen. Das
ist ein alter Glaube — heutzutage gehen schamanische und
christliche Anschauungen durcheinander. — Die Seelen Verstorbener
sind den Menschen weder nützlich noch schädlich.
TL s. w." — „In früheren Zeiten begannen Schamane und
Schamanin damit, hartnäckig besessen zu sein (irän). Dies
war ein Zeichen, dass ihr Kut (ihre Seele) vom Teufel
geraubt war. Dann unterrichtete sie ein Schamane und
bereitete sie zur Aufnahme in den Stand vor/4 Ihr
Kostüm u. s. w, wird ausführlich beschrieben. Sie wurden
früher mit allen zugehörigen Sachen in Kornspeichern beigesetzt
. „An solchen Orten hörten die Umwohner oder
Vorüberziehenden dann zur Nachtzeit das Tamburin des
Schamanen ertönen." — „Die Wiegen der Kleinen werden
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