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144 Psychische Studien. XV. Jahrg. 3. Heft. (März 1888.)
welchen Narrenstreich sie zu glauben im Begrifi waren.
Wie man erzählt, ist die Frau des Hauses leider ein Opfer
ihres Aberglaubens geworden, indem die hochschwangere
Frau an den Folgen der Aufregung gestorben ist."
h) «f In London starb vor einigen Tagen (am 21. Febr. er.)
Frau Anna Kingsford, eine der lebhaftesten Verfechterinnen
des Yegetarianismus und Bekämpferin der Vivisection. Die
Verstorbene hatte 6 Jahre in Paris Medizin studirt und sich
dort den Doktorgrad (am 22. Juli 1880) erworben. Im Jahre
1880 gründete sie die „theosophische Gesellschaft" in London,
welche die Geheimlehren des Alterthums in religiösem Sinne
zu ergründen sucht. Frau Kingsford war im Jahre 1870
zum Katholicismus übergetreten. („Leipz. Tageblatt" vom
2. März 1888.) — Wir ergänzen diese Mittheilung durch
folgende aus dem Londoner „Light" vom 3. März er. geschöpfte
Notiz des Mr. M. A. (Oxon): — „Es ist meine
traurige Pflicht, das Hinscheiden der Frau Dr. Anna Kingsford
zu vermelden, deren Name in der Erinnerung der Spiritualisten
hauptsächlich verknüpft sein dürfte mit dem des Mr. Maitland
bei Herausgabe des Werkes: — »The Perfect Way" (Der
vollkommene Weg). Mrs. K. war auch eine Zeit lang
Präsidentin des Londoner Zweigvereins der „Theosophischen
Gesellschaft" und in neuerer Zeit noch der „Hermetischen
Gesellschaft", zu deren Versammlungen sie viele Abhandlungen
von Interesse und Wichtigkeit beisteuerte. Sie war
eine klare und gewandte Schriftstellerin, eine überzeugende
und beredtsame Sprecherin, Ausser dem Occultismus, mit
dem sie sich hauptsächlich beschäftigte, waren ihre Bestrebungen
besonders gegen die Vivisection gerichtet, vor
der sie einen Abscheu hatte. Sie führte ein eigentümlich
würdiges Leben voll Selbstverleugnung, das von vielen Leiden
heimgesucht war, bei ausnehmend geistigen Begabungen, die
sie niemals unwürdig gebrauchte." — Ueber die „Hermetische
Gesellschaft" sagt die „Pall Mall Gazette", dass deren Mitglieder
sich mit Untersuchungen über Psychologie und
Geheimwissenschaften vom Standpunkte einer durch religiöse
Auslegung erhellten Anschauungsweise beschäftigen. Das
Werk: — „Der vollkommene Weg, oder das Finden Christi"
sei 1881 erschienen und habe jüngst eine 2. Auflage erlebt.
Noch von ihrem Sterbebette aus kämpfte sie in Artikeln
gegen den Massenmord von Thieren und Vögeln bloss um
ihres Pelzwerks oder Federschmuckes willen. Sie starb an
Auszehrung, einer Krankheit, der sie nach ihrer Ansicht
schon vor 20 Jahren erlegen sein würde, wenn sie sich nicht
dem Vegetarianismus ergeben hätte.
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