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146 Psychische Studien. XV. Jahrg. 4. Heft. (April 1888.)
interessanter sind, aber ohne ein naturwissenschaftliches
Fundament in der Luft schweben.
Später kam Braid mit seiner Entdeckung des Hypnotis-
mus. Das war zwar eine verdaulichere Speise, aber die
Denkrichtung war damals schon sehr materialistisch; man
kannte nur die Abhängigkeit des Geistigen vom Körperlichen
, während der Hypnotismus das Verhältniss umkehrt.
Braid nun hatte kaum Zeit gehabt, in vollständiger
Unberühmtheit zu sterben, so begann schon in Amerika die
spiritistische Bewegung, an Fülle merkwürdiger und
unglaublicher Phänomene Alles hinter sich lassend.
In der Zwischenzeit war nur Einer aufgetreten, der in
diese überstürzte Bewegung Ordnung zu bringen berufen
war: v. Reichenbach. Er liess alle anderen Phänomene
gänzlich bei Seite, und hat in seinen odischen Schriften
mit beispielloser Ausdauer seine Lebensaufgabe darein
gesetzt, eine physikalische Grundlage der Mystik zu legen,
mag das auch nicht gerade seine bewusste Absicht gewesen
sein.
Aber auch v. Reichenbach fand kein Gehör, er wurde
kaum beachtet, und seine Arbeit ist seither nicht fortgesetzt
worden. Wallace sagt darüber: — „Es ist gewiss der
modernen Wissenschaft nicht zum Ruhme gereichend, dass
diese mühsamen Untersuchungen ohne auch nur einen
Yersuch ihrer Widerlegung verworfen werden sollten; und
wir können so etwas nur dem Abneigung erregenden
Charakter einiger der hervorgebrachten höheren Erscheinungen
zuschreiben, die ohne Prüfung zu ignoriren, noch
immer die hergebrachte Gewohnheit der Professoren der
Naturwissenschaft ist."*)
Wenn v. Reichenbach vor Mesmer aufgetreten wäre, auf
diesen unmittelbar Braid gefolgt wäre, wenn dann später
erst der Somnambulismus entdeckt worden wäre, und erst
nach Erforschung aller dieser Zweige der Spiritismus aufgetreten
wäre, so besässe heute die Mystik zweifellos ein
viel höheres Ansehen; und wer heute dieses Gebiet studiren
will, oder zur Einführung in dasselbe ein Lehrbuch schreiben
möchte, würde gut daran thun, diese imaginäre Reihenfolge
einzuhalten. Der historische Entwicklungsgang der Mystik
seit hundert Jahren war dagegen in der Aufeinanderfolge
der Entdeckungen gewissermaassen unlogisch, brachte daher
Verwirrung in die Köpfe der Menschen, und den Grund
dieser Verwirrung suchte man irrtümlicherweise im Gegen-
1) Wallace: — „Die wissenschaftliche Ansicht des üebernatür
liehen.« 21. —
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