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150 Psychische Studien. XV. Jahrg. 4. Heft. (April 1888.)
In der christlichen Mystik ist sehr viel von der Sache
die Kede, Von der heiligen Katharina von Siena heisst es,
dass das Feuer auf sie keine Wirkung hatte, wenn sie in
Verzückung war. Sie wurde mehrmals in Gegenwart Vieler
durch unsichtbare Gewalt ins Feuer gestürzt, und wenn die
Anwesenden erschrocken sie herauszogen, erhob sie sich
lächelnd und sagte: — „Fürchtet Euch nicht; das hat
Malatasca — so nannte sie den Teufel — gethan."1) Wie
ihr Biograph Raimundus berichtet, sass sie einst in der
Küche, den Bratspiess in der Hand, gab sich ihren Betrachtungen
hin und wurde ekstatisch. Sie fiel vom Stuhle,
und man fand sie mit dem Gesicht in den glühenden Kohlen
liegen, riss sie heraus, fand sie aber unverletzt.2) — Aehn«
liches wird von Simeon von Assisi berichtet. In seiner
Ekstase fiel ihm einst eine glühende Kohle auf den Fuss,
blieb liegen, bis sie erloschen war, aber er fühlte keine
Schmerzen und blieb unverletzt.8) — Der heilige Polykarp
sollte verbrannt werden; als das Feuer seines Scheiterhaufens
angezündet wurde, bildeten die Flammen einen Bogen um
seinen Körper, ohne ihn zu verletzen, worauf er mit einer
Lanze getödtet wurde.4) — Johannes von Gott, als er beim
Brande eines Spitals die Kranken wehklagen hörte, stürzte
sich in den Rauch. Er blieb */Ä Stunde aus, und man gab
ihn für verloren, als er mit unverletzten Kleidern wieder
hervorsprang. Nur Augenbrauen und Wimpern waren verbrannt
, — ein Vorgang, der von 70 Zeugen beschworen
Wirde. Glühende Kohlen, auf die er mit seinen kalten
Füssen trat, brachte er zum Erlöschen.6)
Von der heiligen Christina mirabilis, die überhaupt ein
grosses Medium gewesen zu sein scheint, erzählt ihr Biograph
Cantipratanus, indem er sich auf die noch lebenden Zeitgenossen
als Zeugen beruft, dass sie sich schweren Bussen
unterwarf. Sie ging in die glühenden Oefen, die man, um
Brod zu backen, geheizt hatte, blieb zwar unverletzt, aber
doch schmerzlich von ihnen ergriffen, so dass sie jämmerlich
schrie. Oft hielt sie Arme und Beine so lange in die Gluth,
dass sie unter normalen Verhältnissen zu Asche hätten verbrennen
müssen.6)
An dieser letzteren Erzählung lässt sich aussetzen, dass
zwar Empfindungslosigkeit ohne Unverletzbarkeit sich denken
1) Perty: — „Die myst. Erscheinungen." II. 427.
2) Görresx — „Christi. Mystik." II. 285.
3) Ders. II. 286.
4) Ders. I. 214.
*) Ders. I. 460. II. 29.
•) Ders. III. 488.
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