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202 Psychische Studien. XV. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1888.)
feder oder des Papierkügelchens um ihre Gleichgewichtslage.
Jener fortgesetzte Muskeldruck, d. h. das Muskelzittern,
bewirkt nichts anderes, als ununterbrochen fortgesetzte Stösse
auf die Tischplatte." —
Wir dürfen billig über dieses angebliche Hauptkunststück
der spiritistischen Medien erstaunen, da uns aus unserer
mehr als dreissigjährigen Bekanntschaft auf diesem Gebiete
kein einziger solcher Fall vorliegt! Warum nennt denn
Herr Kirchbach nicht die Namen seiner Medien und die
genauen Quellen, aus denen er geschöpft hat? So ist es
abermals eine Behauptung in's Blaue! Wenn er aber wissen
will, was dergleichen wirklich mediumistische Experimente
mit Magnetnadeln und deren Ablenkung ohne handliche
Berührung des Tisches für echte erstaunliche Wirkungen
hervorbringen, so lese er gefälligst nach, was der inzwischen
verstorbene Professor lechner am 4. Juli 1867 mit der von
Reichenbach''sehen Sensitiven Frau Ruf,*) und was Professor
Zöllner mit Slade am x\bend des 16. November 1877 in dieser
Beziehung erlebt und genau beschrieben haben (s. Zöllners
„ Wissenschaft Abhandlungen" II. Bd. 1. Theil S. 326 ff.)
Diese Fälle, und nicht obigen selbsterfundenen, hat Herr K.
nach seiner vermeintlich einfachen und naturwissenschaftlichen
Theoiie zu erklären, wenn er Spiritisten überzeugen will.
Aehnlich dürfte es ihm mit seiner folgenden Behauptung
ergehen: — „In das Gebiet der sogenannten optischen
Täuschungen gehören dagegen unseres Erachtens die
sogenannten Schiefertafelschriften. Wir verzichten,
an dieser Stelle dieselben zu erklären, da fast jedes Medium
seine eigene Methode hat, dieselben zu bewirken und herzustellen
, und jeder derartige Künstler noch seine eigenen
Kunstgriffe hat, die ihm naturgemäss nicht so leicht Jemand
ablauschen wird. Wie aber die ganze Sache unter Umständen
das Ei des Columbus sein kann, mögen einige
Beobachtungen andeuten, aus welchen der Scharfsinn des
Lesers selbst die nöthigen Schlüsse ziehen mag." — Der
Leser soll also erst errathen, was Herr Kirchbach selbst
noch nicht weiss, weil nicht ablauschen konnte. Zuerst
berichtet er. wie man das -Geräusch des Schreibens auf
einer feucht abgewischten wie trockenen Schiefertafel unter
der Tischplatte mit einem Stückchen Schieferstift hervorbringen
könne, indem das Medium die Tafel etwas schräg
halte und in wohlabgemessenen Intervallen den Stift leise
hin und her rollen lässt. Aber wo bleibt denn dabei das
plötzlich Geschriebene, wie z. B. der bei Slade häufig vor«
*) Siehe „Psych. Studien", Äprii-HeU 1876, S. 183 ff.
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