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Prof. Schlesinger: Die geistige Mechanik der Natur. 221
Moleküle entsprechend gross zeigen. Nun frage ich: Wenn
man so die kleinsten Massentheilchen des Gehirnes in
gegenseitiger Umkreisung und in den merkwürdigsten Rotationen
sähe, würde dadurch das Entstehen des Denkens
nur im Mindesten einleuchtend? Das mögen sich also die
Materialisten vor Augen halten, dass die Bewegung der
Gehirntheilchen das Denken gar nicht erklärt. Man kann
nicht einsehen, dass diese Bewegung im Gehirn eine das
Denken bedingende Ursache sei, sondern kann nur zugeben
, dass sie ein Bedingtes ist. Wo aber liegt die
Bedingung, dass sich die Gehirn-Theilehen bewegen?
Sagt der Materialist, die Bedingung für diese Bewegungen
liege in den Gehirntheilchen selbst, so wirken
sie aufeinander fernwirkend ein, und es steht der Materialist
wieder an der Schwelle der Metaphysik. Geben wir einen
Augenblick lang zu, die Bedingung für die Bewegung liege
in den Gehirntheilchen, so liegt sie auch für die Erinnerung
darin. Wenn aber der Stoffwechsel im lebenden Organismus
nachgewiesen ist: Wie kommen die in das Gehirn neu
eintretenden Massen - Theilchen zur Befähigung, die Erinnerung
an etwas zu liefern, das sie gar nie
erlebt haben? Das Erinnern setzt ein Bleibendes
voraus, und weil der Stoff im lebenden Organismus stets
wechselt, so ist das materielle Gehirn gewiss nicht die
bleibende Ursache für das Gedächtniss, und ich gelange so
zu der nothwendigen Forderung, dass das Geistige int
Menschen nicht aus dem Gehirne, sondern aus Lebenskräften
besteht, welche bei allem Wechsel des materiellen Stoffes
das Bleibende sind, indem sie beim Stoffwechsel die ausscheidenden
Gehirntheilchen verlassen und auf die neu
eintretenden Theilchen übergehen; es ist dies ähnlich dem
Uebergang der Kräfte beim Stosse von Körpertheilchen,
vom stossenden auf das Gestossene.
Als ich nun das Bleibende im Menschen in gewissen
Lebenskräften gefunden hatte, blieb ich der Anwendung
des Satzes treu, dass die intellektuelle Steigerung der Kräfte
und die mechanische Befähigung der Kriiftenioleküle zu
einander reeiprok sind (S. 48 und 49), und ich drang immer
tiefer in die Wechselbeziehungen zwischen Intelligenz und
mechanischer, beziehungsweise physikalisch - chemischer
Wirkung im Menschen ein, bis ich zu dem Punkte gelangte,
wo ich einsah: die Intelligenz kann nicht in den
Kräften an sich liegen, sondern sie wird in den
Kräften aus dem Wesen des Baumes geboren,
der von den Kräften umschlossen erscheint.
Das ist nun von der einschneidendsten Bedeutung für
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