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226 Psychische Studien. XV. Jahrg. 5. Heft (Mai 1888).
Willens verband die unendliche Macht des Raumes das
Gesetz der Bewegung, und wenn sich diese Willensbeschränkungen
bewegen, so dringt aus ihn?n überall und
immer die selbst beschränkte Macht des Raumes hervor;
weil ferner die Vereinzelung der Allmacht immaterieller
Wesenheit ist, wie die Unendlichkeit des Raumes selbst, so
können sich auch Willens-Vereinzelungen durchdringen,
und auch die Durchdringung wird immaterieller Beschaffenheit
sein. Je nach der Art der Durchdringung wird sich
die Beschränkung der göttlichen Macht mannigfach äussern,
und äussert sie sich in der Weise, dass gewisse Systeme
der Willens-Durchdringungen einander die weitere Durchdringung
verwehren, so zeigen diese bestimmt
gebauten Kräftesysteme in ihrem Verhalten gegeneinander
jene Erscheinung, die wir heutzutage lebenden Menschen
„Materie" nennen. Es ist demgemäss „Materie" so gut
von immaterieller Beschaffenheit, als es die Kräfte der
Kraftsphären sind, welche die vermeintliche Materie umgeben
; nur die Wirkungen des Raumes durch diese
speciellen Zusammensetzungen der Kraftatome und Kraftmoleküle
hindurch erzeugen den S die in einer körperlichen
Beschaffenheit, ohne dass diese Zusammensetzungen wirkliche
Materien sind, wie sie von den Menschen gewöhnlich gedacht
werden.
Die Schöpfung der materiell genannten Welt ist damit
im Wesentlichen gegeben; wenn aber die Kant-Laplace'sche
Theorie einen Urnebel voraussetzt, oder wenn andere
Forscher einen einzigen grossen Weltkörper als Erstes
sich denken, so ist damit doch nicht vorstellbar geworden,
wie dieser Urnebel oder dieser Urkörper in's Dasein
kommen konnte, und mehr oder weniger vermeint man
dabei doch, es bestehe eine uisprangliche wirkliche Materie.
Kant allerdings spricht von dem Nichtwissen, was die Dinge
an sich seien, und er hat vollkommen Recht; die Materie
an sich ist nicht Materie in dem landläufigen Sinne; sie ist
ein Inbegriff von bestimmt gebauten Systemen immaterieller
Kräfte, und diese selbst sind nur von Gottes endloser Macht
gewollte räumliche und intelligente Selbstbesehränkungen
seines Wesens nach bestimmten Gesetzen. Die
Wirkungen dieser Selbstbeschränkungen könnon aber
volumenhaft gedacht werden, und dnmit sind sie der
Vorstellbarkeit, wie sie dem menschlichen Geiste eigen ist,
nahe gebracht.
Das Hauptproblem der Schöpfung, das Werden der
sogenannten Materie, findet in dieser Vorstellung eine
Lösung, welcher nicht bloss eine philosophische, sondern
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