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300 Psychische Studien. XV. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1888.)
Phantasie irre zu führen, waltet auch in einer Anzahl von
diesen sogenannten Geisterphotographien. — Jedenfalls sieht
man, dass die Photographie nicht die geringste Bürgschaft
für die Realität der Geistererscheinung, sondern einzig
für die Realität des Betrugs enthält, genau wie das menschliche
Auge. Penn die Bürgschaft für die Wahrheit
einer Sache liegt nicht in unseren Sinnesorganen; oh etwas
Betrug ist, entscheiden nicht unsere Sinne, sondern unser
Verstand. — Solchem einfachen Betrüge verfallen natürlich
die von selbst, welche zufolge einer Theorie vom 'transcen-
dentalen Ich' an sich schon geneigt sein müssen, an Geister
zu glauben. Da Niemand weiss, was ein Geist ist, so sieht
der Geistergläubige zuletzt in jedem Stückchen Papier einen
Geist, weil er eben nicht weiss, was er sieht, und sich auch
nicht die Mühe giebt, es wissen zu wollen. Wenn das
betrügerische 'Medium* im verstellten Halbschlaf behauptet,
dass es an einer bestimmten Stelle ein Phantom sehe, so
sieht Jedermann hin und eben nicht auf das Medium,
welches diesen Augenblick benutzt, etwa ein Stückchen
Watte aus dem Munde zu blasen, woraus das Phantom auf
der Platte entsteht. Auf der Photographie ist dann unmöglich
zu unterscheiden, ob vor oder hinter dem Medium
die Gestalt ist, so dass das Medium ziemlieh freien Spielraum
zur Angabe eines Ortes hat.4* —
Wie vermag Herr Kirchbach nur die Behauptung zu
wagen, die Photographie des Geistes Kaiie King sei augenscheinlich
das Gesicht eines etwas ungeschickt als Weib
verkleideten Mannes, wenn er die Berichte des Mr. Crookes
über die Person der Katie King und die Entstehung dieser
Photographie genau nachliest, wie er sie in „Psych. Stud."
Jahrg. 1874 September-Heft S. 387 ff. und Januar-Heft
1875 S. 19 ff. finden kann. Es würde ihm schwer werden,
die „vollkommene Schönheit von Kadens Gesicht", „den
Zauber ihrer Haltung", „die brillante Reinheit ihrer Hautfarbe
", „ihr Lächeln mit aller Unschuld einer glücklichen
Mädchenhaftigkeit" („Psych. Stud." 1875 S. 22 ff.), über
welche Mr. Crookes sogar in ein wohl aus einem Dichter
citirtes, versificirtes Lob ausbricht, auf einen auch nur etwas
„ungeschickt als Weib verkleideten Mann" bezogen, aufrecht
zu erhalten! Herr Kirchbach, der Münchener Dramendichter
und jetzige Herausgeber des „Magazins für die Litteratur
des In- und Auslandes" in Dresden, ist nicht der Mann
dazu, mit diesen paar Worten die wissenschaftlichen
Beobachtungen eines Mr. Crookes zu erschüttern, so wenig
er durch seine neuesten Artikel über Heinrich Heine dessen
Dichterkranz zerpflücken und etwa seine eigenen Dichtungen
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