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Prof. Schlesinger: Die geistige Mechanik der Natur. 323
seinen Thaten zum Ausdruck gelangen lässt. Heuchelei
eines Gottvertrauens wird nie zu dauerndem Heile führen.
So muss und wird auch in allen Völkerzwisten der schli<>ss-
liche Sieg auf jener Seite sich einstellen, wo die besseren
Ziele zum allgemeinen Wohle der Menschen angestrebt und
die Wege dazu eingeschlagen werden. Alle Anschläge der
Einzelnen gegen die Wohlfahrt der Gesammtheit werden
schliesslich am Willen Gottes zu Schanden, wenn auch vorübergehende
Erfolge sich zeigen. Da nützt es den Menschen nichts,
seihst wenn sie, Stellvertreter Gottes auf Erden zu sein, den
Anspruch erheben: zu wollen, Ihrem Willen entgegen lenkt
die göttliche Macht die Geschicke, und je weiter jene in
ihrem Streben von der Wahrheit abweichen, um so zuverlässiger
der Verfall.
Welch1 ein verfehlter Glaube ist es aber auch, alles Geschehen
im menschlichen Leben dem Zufalle, oder der unbedingten
Nothwendigkeit allein zuzuschreiben. Man werfe
seine Blicke nur in das Thierleben, und man muss von solchem
Glauben Abstand nehmen. Was vollzieht die Thierwelt
nicht alles, was wir so leichthin Instinkt nennen? Ja,
ist denn mit dem Worte Instinkt das Thun der Lebewesen,
welche ohne Erfahrung zweckmässig und zukünftigen, ihnen
unbekannten Ereignissen entsprechend handeln, schon
erklärt? Erklärt ist aber dies Thun und Handeln, wenn
die Intelligenz des im unendlichen Räume allüberall seienden
Gottes durch die Denkkräfte der Thiere wirkt; denn seiner
Intelligenz entsprang ja das Thier, und da er ihm die Stufe
zur Entwicklung seines Denkvermögens noch nicht angewiesen
, so sorgt er auch, wie schon erwähnt, für dessen
Leben durch die Anleitung zu „instinktiver" Thätigkeit.
Es ist also im Leben der Natur nichts für Gott zu
gering, überall waltet zunächst sein gesetzliches Wollen,
das wir in Naturgesetzen entdecken; dann waltet aber auch
sein freies Wollen, mit welchem er nach seinem Ermessen
in die Wirkungen seiner festen Gesetze eingreift, ohne sie
im Geringsten zu stören. Wenn ich einen nur ungefähr
passenden Vergleich hier anstellen will, so ist es der: Wird
von Menschen eine Maschine gebaut, mit der eine ganze
Gruppe von Arbeiten, eine nach der andern, dadurch ausgeführt
werden kann, dass man den Regulator der Maschine
der gewünschten Arbeit gemäss stellt: dann ist der Organismus
dieses Menschenwerkes gewissermaassen eine Summe von
Oausalgesetzen, nach welchen die Maschine arbeiten kann.
Jener Mann aber, der den Regulator stellt, damit die
Maschine gerade dem gewünschten Zwecke gemäss wirke,
bedeutet den freien Eingriff in die Maschine. Die gesammte
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