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Wittig: Giebt es eine Auferstehung des Leichnams etc.? 375
Wir haben den rechtlichen Standpunkt dieses Urtheils
nicht zu kritisiren, weil wir nach obigem Referat die näheren
Saeb-Motive nicht genau genug kennen, wegen deren der
Mann so streng bestraft wurde, sondern halten uns nur an
den kurzen "Wortlaut desselben. Was hiernach aber des
Mannes ausgesprochenen Ansicht betrifft, so ist es uns
nicht möglich, dieselbe für sachlich unwahr und deren
überzeugungsvollen öffentlichen Ausdruck als ein Erschütternwollen
des etwa richtigeren Glaubens Anderer zu erkennen.
Denn es bleibt doch sachlich wahr und seine Meinung, dass
der einmal gestorbene und begrabene Mensch in der Form
und Gestalt desselben Leichnams, welcher beerdigt wird,
auf dieser Erde nie mehr wieder erscheint, und dass es auch
in dieser Form und Gestalt mit demselben zum Leichnam
gewordenen Leibe im Jenseits kein Wiedersehen geben kann.
Und nur das mag der verurtheilte Mann im Sinne getragen
und gemeint haben. War er etwa ein Philosoph, Theolog
oder Jurist mit feinen Distinctionen? Er war nur ein
schlichter Farbenhändler. Selbst der Apostel Paulus spricht
ja nur von einer Auferstehung in einem verklärten Leibe,
aber nicht in dem einmal begrabenen und verwesenden Leibe.
Und dieser Punkt ist es, der nicht bloss das denkende Volk,
sondern selbst die Denkenden unter den Theologen noch
heutzutage beschäftigt und in verzwickte Zweifel stürzt.
Wir Spiritisten und die Theologen haben es ja
eigentlich nicht mit dem irdischen Leichnam, sondern
nur mit dem Geiste und mit dem von diesem im Tode
etwa neu angelegten verklärten Leibe zu thun. Es ist
ungefähr so, als ob man den verhauchten Duft und die
herrliche Farbengluth einer Rose (ihre Seele) noch bei
der gewelkten oder gepressten ßose (ihrem Leichnam) in
alter Qualität und Fülle suchen wollte! Woran liegt die
Schuld, dass der gewöhnliche Mann im Volke beide (die
Seele und ihre leibliche Erscheinung) mit einander noch
immer verwechselt und glaubt, dass der todte Leichnam im
Grabe nach den Worten der Schrift wieder auferstehen und
ins Jenseits eingehen werde? Doch nur an den Theologen
selbst und ihrer falschen Schriftauslegung! Denn es ist
notorisch, dass keine Stelle der heiligen Schrift so etwas
wirklich behauptet. Wer sich darüber des Näheren belehren
will, der lese folgende Schrift: — „Das Leben nach
dem To de. Von N. F. CarStensen, Prediger an der Luther-
Kirche in Kopenhagen. Deutsch von Emil Jonas. (Leipzig,
Wilh. Friedrich, 1886.) VIII. und 224 S. 8°. In ihr werden
alle bisher falsch übersetzten und ausgedeuteten Schriftstellen
einzeln durchgenommen und richtig erläutert. Sollte unsere
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