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382 Psychische Studien. XV. Jahrg. 8. Heft. (August 1888.)
in dem Artikel: — „Eine denkwürdige Weissagung über
Bayern" — auch ihres Vorbildes — der Lehnin9sehen
Weissagung — gedacht, welche jetzt abermals Gegenstand
einer abfälligen Besprechung in der Weber1 %q\\s\\ „Illustrirten
Zeitung" Nr. 2344 vom 2. Juni 1888 S. 550 (mit Abbildung
des Klosters Lehnin vor der Restauration) geworden ist,
ohne dass sich der Schreiber des Artikels genannt hätte.
Es kann uns gleichgiltig bleiben, wer er ist, und was er
über die ZeAnm'sche Weissagung denkt; nur glauben wir
die Verpflichtung zu haben, ihn auf eine notorische Unwahrheit
in seiner Darstellung aufmerksam machen zu sollen.
Seine Beweisführungen gegen die Echtheit des „Vati-
einium B. fratris Hermanni, monachi quondam
Lehninensis, qui circa annum 1300 floruit", sind
recht schwach und weit hergeholt. Selbst, wenn wir eine
Fälschung zugeben wollten, was wir entschieden nicht thun,
würde der Nachweis, dass der 1668 zum Katholicismus übergetretene
evangelische Geistliche zu Berlin, Andreas fromm
aus Ruppin, welcher 1685 als Kanonikus zu Leitmeritz in
Böhmen starb, der Verfasser derselben post eventum gewesen
sei, schon mit der Bemerkung des Anonymus nicht überein*
stimmen, dass die älteste, in der Universitätsbibliothek zu
Göttingen befindliche Handschrift auf Papier (aber aus
welcher Zeit, ist nicht angedeutet,) ausgefertigt sei, dessen
Gebrauch erst um 1400 in der Mark auf kam", und die
Möglichkeit des früheren Vorhandenseins einer älteren
Pergament-Handschrift durchaus nicht ausschliessen,
selbst wenn das uns (wer weiss., von wem und wann?) noch
erhalten gebliebene Verzeichniss der Handschriften und
Bücher des Klosters nichts von solchem Vaticinium meldet.
Aus einzelnen Stellen der Weissagung soll mit Sicherheit
hervorgehen, dass sie zwischen 1682 und 1693 entstanden
sein müsse. Welch ein Trugschluss, nur aufgebaut auf den
aus der Phantasie geschöpften historischen Roman Georg
Hiltfs: — „Das Geheimniss des Fürstenhauses",
— dessen Mittheilungen über die angebliche Fabrikation der
Prophezeihung sogar ausführlich referirt werden nebst den
ebenso erdichteten und doch nur die Ansicht HiltH verkündenden
Worten des Grossen Kurfürsten: — „Dies Gedicht
ist eine kühne Täuschung, ein dreistes untergeschobenes
Alachwerk, dessen Inhalt auf meine Entschlüsse wirken soll,
dessen Drohungen gegen die gelichtet sind, welche nicht zum
Triumph der Kirche beitragen wollen. Das plötzliche Erscheinen
dieses 'Vaticinum' sollte mich veranlassen, begierig
nach der Königskronc zu greifen. Der Preis wäre die
Unterwerfung unter die Gewalt der Priester. Ich werde
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