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Wittig: Herr Hermann Diels in Berlin contra Dr* du Prel etc. 397
Menschlein zu schrauben und sie an ihre Kurzsichtigkeit zu
mahnen. Doch ist er stets am Ende hülfbereit, sogar dem
Skeptiker gegenüber, wie die folgende Erzählung zeigt.
„'3. Ein Mann, an den Fingern gelähmt mit
Ausnahme eines einzigen.
„'Er wandte sich hülfesuchend an den Gott. Als er
jedoch die im Heiligtum aufgehängten Gemälde*) erblickte,
schenkte er den Heilungen keinen Glauben und verspottete
die Aufschriften. Im Schlafe (der stets im Allerheiligsten
oder Abaton des Tempels stattfand — Ref.) hatte er
aber folgenden Traum. Es däuchte ihm, er spiele im
Tempel Würfel und wolle gerade einen Wurf thun. Da
erscheine ihm der Gott, springe ihm auf die Hand und
recke ihm die Finger aus. Als jener aber heruntergestiegen
, da habe er im Traume seine Hand geballt und
einen Finger nach dem anderen gerade ausgestreckt.
Nachdem er sie alle ausgestreckt, habe ihn der Gott
gefragt, ob er denn auch jetzt noch den Gemäldeaufschriften
den Glauben versagen wolle. Nein, habe er
geantwortet. Nun denn, habe der Gott erwiedert, sintemal
Du jenen, die nicht unglaublich sind, den Glauben
versagtest, so soll Dir fürderhin auch dies Gesicht unglaublich
sein. Als es Tag ward, ging er gesund von
dannen/—
„Die humane Art," — fährt Herr Hermann Diels in
Berlin fort, — „den ungläubigen Thomas zu bekehren, wird
gewis? bei den Anhängern der spiritistischen Zeitschrift
'Sphinx' Anklang finden. Sie werden ausserdem auch in
dem Erscheinen des Gottes selbst eiue auffallende Aehnlich-
keit mit ihren Seancen finden. Der Gott, der auf die Hand
und dann wieder herunterspringt, findet sein Analogon in
den modernen Geistern, die dem begnadigten Medium kopfüber
auf die Kniee hüpfen, wie die erschienenen Geister-
photographien jedem ante oculos demonstriren. (So die
famose Photographie, die Eglinton (sie!) im Beisein des
Herrn Staatsrathes Aksakof in London machen liess. Abgebildet
'Sphinx' 1887, Augustheft S. 121, Tafel I.) Man
sieht aus dieser Geschichte, dass bereits der heilige Cult
zu Epidauros trotz aller Wunder mit Zweiflern zu kämpfen
hatte. Das nimmt im 3. Jahrhundert nicht Wunder, weil
damals der Rationalismus und der offenbare Unglaube bereits
die weitesten Kreise angesteckt hatte. Aber auch schon
*) Diese Sitte, dem Gott durch geweihte Tafein mit Abbildung
des Leidens und erklärenden Aufschriften zu danken, hat die Sitte
katholischer Länder (z. B. Tirols) beibehalten. —
Anm. v. Herrn. Diels.
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