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Kurze Notizen»
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Schenckendorff auf Welkow bei Neuruppin, als Gattin heim,
erlebte dort 1848 die Schrecken der Revolution und folgte
1850 bereitwillig einem Rufe nach Leipzig, wo er durch
"Wort und Schrift von Stufe zu Stufe emporstieg. 1864
wurde er zum Rector der Universität erwählt. Seine Hauptschriften
waren „Die Lehre vom heiligen Geist" (1847), sein
Werk über „Das Abendmahl" (1851), sein „Innerer Gang
des Protestantismus" (1854—1860), seine grosse „Lutherische
Doematik" (3 Bde. 1861—1868; 2. Aufl. in 2 Bdn. 1874—
1875), wegen welcher und seiner Rücksichtnahme auf die
Bibelverbesserung er mit seinen Glaubensgenossen, namentlich
mit Hengstenberg, einen harten Strauss durchzufechten hatte,
seine „Geschichte der deutschen Reformation" (Bd. 1, 1872),
sein „(Jhristenthum und Lutherthum" (1871), „Der Gang
der Kirche in Lebensbildern" (18S1) und „Ueber das Ver-
hältniss der alten Philosophie zum Christenthume" (1884).
„Andere weit aussehende Arbeiten (einer grösser angelegten
theologischen Encyklopädie) waren in Vorbereitung, als die
Kraft seines Geistes zu erlahmen begann. Er musste seine
Thätigkeit beschränken, bald völlig aufgeben. Ein Gehirnleiden
kündigte sich an und entwickelte sich in den letzten
Jahren immer mehr, bis zu einem Grade schliesslich der
Hinfälligkeit, dass sein Tod, als er am 20. Juni d. J. sanft
und unmerklich eintrat, als eine Erlösung begrüsst werden
musste." — Was aber sein Biograph nicht hervorgehoben hat
sind seine irenischen Bestrebungen behufs einer Versöhnung
und Wiedervereinigung der katholischen und protestantischen
Kirche, ein Ziel, das schon der grosse Philosoph Leibniz im
17. Jahrhunderte mit aller Kraft seines Geistes und Einflusses
anstrebte, und dem sich im Verborgenen heute noch eine
grosse Anzahl weitsehender Männer des Glaubens und
Wissens zuwenden.
b) Eine vielleicht noch bessere, echt spiritualistische
Widerlegung des Pessimismus, als sich in unserer
Kurzen Notiz („Psych. Stud," Februar-Heft 1888 S. 93 ff.)
versuchsweise ausspricht, enthält folgende Betrachtung, die
wir in einem Roman von August Niemann, dem um vieler
tüchtiger Schriften willen und jüngst auch durch eine
politische Correctur Bismarcks*) bekannten Herausgeber des
„Gothaischen Hofkalenders", betitelt: — „Eulen und Krebse"
(im „Daheim" Nr. 14, 1888), entwickelt finden. „<0 lieber
*) Die bekannte Berichtigung wegen des Titels: — „Königliche
Hoheit", den sich Kürst Ferdinand von Bulgarien aus dem Hause
Cobuig selbst beigelegt, und den der „Gothaische Hotkalender" ohne
Bedenken als von der fürstlichen Kanzlei initgetheilt aufgenommen
hatte*
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