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Wittig-. Herr Hermann Diels in Berlin contra Dr. du Prel etc. 445
Stätten ihre allmähliche Ausbildung gefunden hätten. Man
wird fragen, wie es möglich war, ohne Narkose solche
Operationen auszuführen, wie sie hier geschildert worden;
denn wenn man ja auch die unsinnigen Kuren, die theilweise
hier vorgeführt werden, auf Erfindung oder Ausschmückung
der Priestertradition zurückführen muss, so kann man doch
mit ziemlicher Sicherheit durch den Nebel dieser 'Mystik'
den wirklichen Vorgang der Operation (?) erkennen. Da
erscheint es auf den ersten Blick klar, dass der Tempel-
schlaf (mag er nun nach Annahme des Spiritismus durch
magnetisches Streichen oder, was nach einigen Andeutungen
der Alten wahrscheinlicher ist, durch Verbrennen narkotischer
Substanzen u. dgl. herbeigeführt worden sein) die Function
hatte, den Kranken gegen die Operationen unempfindlich
und zugleich gegen den Hokuspokus unkritisch zu machen.
Die Incubation (das Liegen und Schlafträumen im Aller-
heiligsten oder Abaton des Tempels — Kef.) ist also den
Heilzwecken der heiligen Institute sehr förderlich gewesen,
aber nothwendig ist sie durchaus nicht. Denn es werden
in den 'Iamata' mehrere Fälle erzählt, wo die Heilung des
Patienten im wachen Zustande vorgenommen wurde; —
,/16. Nikanor, lahm.
„'Ein Knabe entriss ihm, während er da sass, im wachen
Zustande seine Krücke. Er stand auf und verfolgte ihn,
und war von Stund an gesund.' -
„Der Fall, wie er hier erzählt wird, ist kein sonderliches
Meisterstück. Dergleichen Heilungen von Lahmen
kommen ja in Lourdes und ähnlichen Gnadenorten in
Folge hochgradiger nervöser Aufregung auch heutzutage
noch vor. Aber es ist doch bemerken swerth, dass hier der
blosse Wille des Gottes für ausreichend gilt, dass weder
Incubation noch sonstige Procedur nöthig erachtet wird.
(Wie man hört, ist auch die moderne metaphysische Heilkunst
zu diesem Gipfel gelangt. Vergl. die 'Mind Curers'
und 'Metaphysical Healers' in Amerika und den 'Statu-
volismus' des Dr. Fahnestock.) Etwas anders ging es: —
„'20. Thyson aus Hermione, blinder Knabe.
„'Er wurde in wachem Zustande von einem der im
Heiligthum gehaltenen Hunde an den Augen beleckt und
ging geheilt von dannen.' —
modernen Collegen gegenüber den meist bloss erträumten ähnlichen
Heiloperationen der Asklepios-Priester ? Und glaubt er wirklich, dass
der von einem berühmten Wiener Arzte jüngst einem gleichbertihmten
Collegen angestückelte Theil eines Kaninchen-Nerven den eigenen
ausgeschnittenen menschlichen Nerven für die Dauer ersetzen wird?
Qui Tivra, verra! Gr. C, Wütig.
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