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Dessolr: v. Schrenck- Notzings Beitrag «. therapeut. Verw. etc. 499
Mit grosser Freude wird jeder Leser die Zusammenstellung
der von Bernheim und Fontan-Segard erzielten Heilerfolge
begrüssen, da solche statistischen Uebersichten lauter predigen
als alle theoretischen Erwägungen und Ermahnungen. Aber
ob man mit der von unserem Autor versuchten Vermittelung
zwischen Paris und Nancy sich einverstanden erklären
kann, ist vielleicht noch fraglich. Allerdings sind methodische
Klassifizirung der Symptome und Definition der Gesetze
sehr erstrebenswerthe Ziele für die junge Wissenschaft,
können aber doch wohl nicht als 'Regeln' bezeichnet werden;
der Schutz gegen Simulation ferner ist für die Medicin von
untergeordnetem Werthe. Was verschlägt es, ob der Patient
sich thatsächlicb in Hypnose befindet oder nicht, sobald er
nur geheilt wird? Schon der Umstand, dass der Kranke,
dem doch wahrhaft nichts daran liegen kann, seinen Arzt
zu betrügen, (abgesehen natürlich von Hysterikern), sich zu
einer Komödie herbeilässt, deutet auf eine nervöse Exaltation,
die der geschickte Psychotherapeut (Seelenheiler) sich
zu Nutzen machen kann. Und schliesslich brauchen
somatische (körperliche) Merkmale nicht das einzige
Schutzmittel gegen Simulation zu sein; im Gegentheil, mir
erscheint es wahrscheinlicher, dass gewisse psychologische
Vorgänge, durch irgend welche Fragen oder Experimente
kontroliirbar, als bleibende Kennzeichen der Echtheit einmal
entdeckt werden mögen.
Auch in Bezug auf die Suggestivmethode kann ich
mich der Ansicht des Verfassers nicht anschliessen. Dass die
technischen Proceduren, „wie die Erfahrung lehre46,
andere und tiefere Hypnosen hervorrufen als die rein
psychische Einwirkung, dass JEteflexwirkungen einen
Gegensatz zu den seelischen Prozessen bilden, dass Ueber-
anstrengung der Augen ein Theil der Hypnose sei und
dergl. mehr, rauss docli erst noch bewiesen werden. Bernheim
bemerkt gelegentlich, dass die physiologischen Folgen äusserer
Reize eben die Idee des Schlates mit erneuter Stärke weckten,
eine Erklärung, die nicht ohne Weiteres übergangen werden
durfte.
Um dann noch einen sehr wichtigen Punkt wenigstens
flüchtig zu berühren, sei die Bemerkung gestattet, dass mir
persönlich die Gefahren des Somnambulismus geringer, die
therapeutische Wichtigkeit der tieferen Grade dagegen
bedeutender erscheinen wollen, als dem Autor.
Zu den nun in unserer Schrift folgenden Berichten über
den Hypnotismus in Italien, Spanien, England u. s. f. Hesse
sich noch manches Einzelne berichtigend oder ergänzend hinzufügen
, ohne dass aber hierdurch das vortrefflich gezeichnete
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