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Wittig: Der Spiritismus in Gesellsch. eines Königs verleumdet. 517
in aller Stille zur katholischen Kirche übergetreten
sein. Ein vom General der Gesellschaft Jesu, Pater Anderledy,
an den König abgesandter J esuit der aufgelösten deutschen
Ordensprovinz soll das Bekehrungswerk zu Stande gebracht
haben; übrigens habe der König schon seit Jahren zum
Katholizismus hingeneigt und aus seiner Neigung gar kein
Hehl gemacht" . . . Deber die angeblich stattgehabten
spiritistischen Sitzungen wird weiterhin berichtet:
— „Man liess unter Anderen den Vater des jetzigen
Königs, König Wilhelm /., erscheinen, der seinem Sohn den
dringenden Rath gab, zum Katholizismus überzutreten; nur
wenn er mit Rom Hand in Hand gehe, werde der Thron
erhalten werden, denn Rom gewänne über kurz oder lang
seine ganze frühere Macht zurück (!). Auch mehrere der
Ahnen des Königshauses, wie Herzog Carl Alexander,
Herzog Eberhard im Bart, wurden von den Nekromanten
citirt, desgleichen, wie man sich zuflüstert, weibliche Gestalten
aus dem Fegefeuer. Eine Hofdame, welche schon unmittelbar
nach der Vermählung des Thronfolgers Prinzen Wilhelm
mit der Prinzessin von Lippe-Schaumburg viel von sich
sprechen machte, soll in den unsauberen Spiritistenhandel
mit verflochten sein und lange Zeit dabei eine sehr unrühmliche
Rolle gespielt haben, bis sie vor wenigen Tagen von
einem Geheimpolizisten bei einer 'Seance' enthüllt und
festgehalten wurde." —
Auch soll nach einem Stuttgarter Correspondenten für
jene Wiener Zeitung der ,,kranke, schwer kranke
König" vor dem Namen Wilhelm eine intensive Abneigung
haben, der man es auch, wie der „Frankfurter Zeitung"
berichtet wird, zuschreibt, dass der König zauderte, an den
Kaisertagen nach Stuttgart zu kommen... üeber die Ursache
dieser Scheu des Königs Karl vor dem Namen Wilhelm
wird berichtet: — „Als er noch Kronprinz war, liess er sich
einstmals auf einem Jahrmarkte von einer Gitana
(Zigeunerin) 'wahrsagen'. Diese nahm seine Hand und
sagte: — 'Nimm Dich vor Wilhelm in Acht; Wilhelm
hat Dir Alles gegeben, und von ihm wirst Du noch mehr
bekommen, aber ein Wilhelm wird Dir auch Alles
wieder nehmen, Deine Stellung und Deine Freiheit!'
Bekanntlich hiess König Karte Vater Wilhelm, aber Wilhelm
war auch der Name des Königs von Preussen, der Württemberg
im Jahre 1866 bekriegte und besiegte. U. s. w. Das
Ableben Kaiser Wilhelm* s 1. scheint die Vorstellungen König
Karl1$ einigermaassen zurückgedrängt zu haben. Als aber
Friedrich J1L starb und Wilhelm IL den deutschen Kaiserthron
bestieg, drangen diese Ideen abermals mit Gewalt
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