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532 Psychische Studien. XV. Jahrg. 12. Heft. (December 1888.)
Zimmer gewesen, ohne dort Jemanden gesehen zu haben.
Mir fiel jetzt das sarkastische Lächeln meines Kousins ein,
und ich dachte, er würde es sein, der sich mit mir einen
Scherz machen wolle, indem er durch irgend eine verborgene
Tapetenthüre in jenes Nebenzimmer eingetreten sei. Ehe
ich aber diesen Gedanken noch ausgedacht hatte, kamen
die Schritte durch die geschlossene Thür hindurch in mein
Zimmer, beschrieben einen Kreis in demselben, wandten sich
dann wieder nach dem Nebenzimmer und verhallten dort.
Das war mir doch „zu starker Tabak!" Ich befühlte Kopf
und Puls, ob ich etwa von einem Fieber plötzlich befallen
sei, und trank zwei Glas Wasser, obwohl das ganz überflüssig
war, da mein Blut ganz normal pulsirte.' Da ertönen
von N euem die Schritte im Nebenzimmer, kommen wiederum
durch die geschlossene Thür , beschreiben einen Kreis und
bleiben in ungefähr vier oder fünf Fuss Entfernung vor
meinem Bette stehen.
Ich habe nicht weniger Muth wie ein Anderer, habe
im Kriege und auf andere Weise mein Leben mannigfach
aufs Spiel gesetzt, dabei aber immer Kaltblütigkeit bewahrt.
Diesmal jedoch — ich schäme mich nicht, es zu gestehen,
— verliess mich für einen Augenblick die Selbstbeherrschung;
ein nie empfundenes Gefühl des Grausens erfasste mich,
doch ohne mich feig zu machen. Wüthend sprang ich aus
dem Bett in die Mitte des Zimmers, um den unsichtbaren
K o b o J d, der mich provozirte, zu fassen, zu würgen. Doch
seltsam! Die Schritte wurden wieder hörbar, beschrieben
finen Kreis um mich herum und verloren sich im andern
Zimmer. Beschämt kehrte ich ins Bett zurück, rauchte eine
Zigarre an und nahm mir vor, alles Weitere, das noch
kommen konnte, mit kaltblütiger Wissbegierde anzusehen.
Beiläufig fünf Minuten mochten verflossen sein, ich hatte
das Buch wieder zur Hand genommen, da Hess sich im
Ofen ein Geräusch vernehmen, so gewaltig, als wenn ein
Bär mit seinen Krallen die Innenwände des Ofens zerwühlte.
Darauf schien eine schwere Masse im Ofen herabgefallen
zu sein, worauf Stille eintrat. Jetzt glaubte ich eine Aufklärung
für die räthselhaften Vorgänge finden zu müssen,
denn die zentnerschwere Masse, die im Ofen herabgefallen
war, musste doch nothwendig zu sehen sein, so durfte ich
glauben. Mit einer Kerze in der Hand öffnete ich vorsichtig
die Ofenthür. Nichts, absolut nichts war zu sehen, als
einige geringe Ueberreste von Asche. Ich legte mich
wiederum nieder und fing an, mich mit philosophischen
Gedanken darüber zu beschäftigen, welcher Art die Naturkraft
sein könne, die derartige Phänomene hervorzubringen
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