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2 Psychische Studien. XVI. Jahrg. 1. Haft. (Januar 1889.)
Existenz gesichert sah. Durch C. Flammarion's herrliche
Werke angeregt, warf ich mich mit Leidenschaft auf das
Studium der Astronomie, der Philosophie und der verwandten
Wissenschaften. Damit betrat ich eine mir neue
Welt, in welcher ich mich nur noch zurechtzufinden bestrebte.
Die Frage nach dem Wesen, der Ursache und dem Zweck
der Dinge, ganz besonders aber nach der eigentlichen Bestimmung
des Menschen, war von dominirendem Interesse
für mich geworden. Sie hatte sich gewissermaassen in mein
Denk- und Empfindungsvermögen incarnirt, schwebte mir
entgegen aus Allem, was ich um mich herum wahrnahm,
und verfolgte meinen Geist bis zu seinen alltäglichsten
Beschäftigungen. Es schien mir, dass die irdische Existenz
nur insofern Werth haben könne, als wir sie als eine
transitorische Form eines weit, vielleicht unendlich über sie
hinausreichenden Daseius auffassen; Menschen, welche
sorglcs und zufrieden dahin leben in der Perspektive, dass
nach einer gewissen Reihe von Jahren ihr bewusstes Ich
wie eine Seifenblase zerplatzt, waren und sind noch heute
für mich wandelnde Räthsel.
Aber wie, frag ich mich, hat man sich die Fortdauer
nach dem Tode vorzustellen? Zuerst nahm ich mit Jean
Reynaud, Pezzani, E. Pelleian, Jouffroy, H. Martin u. A* an,
dass wir bestimmt seien, von Planet zu Planet zu wandern,
in stetem, durch unseren persönlichen Wandel bedingtem
Fort- oder Rückschritt Ich glaubte — und Aehnliches
glaube ich noch jetzt —, dass für die geistige Welt, wie
für die materielle, eine Art Gravitationsgesetz existirte,
welche das unserer äusseren Erscheinung zu Grunde liegende
individualisirte Lebensprinzip im Augenblicke, wo es sich
vom Körper löst (den Anschauungen des Dualismus gemäss),
direkt in diejenige Sphäre des materiellen Weltalls führte,
welche genau seinen Fähigkeiten und Aspirationen entspricht;
also an eine unendliche Reihe unmittelbar aufeinanderfolgender
Incarnationen, welche uns von Stufe zu Stufe der
absoluten Perfektion näher führten, und deren jede uns
genau diejenigen biologischen und sozialen Zustände böte,
denen uns anzupassen wir fähig geworden sind. Hierbei
stiess ich mich aber an mancherlei Schwierigkeiten, welche
eingehend zu erörtern zu weit führen würde. Ich konnte
unter anderem nicht begreifen, wie in dieser Hypothese ein
Wiedersehen zu hoffen wäre; weshalb wir uns hienieden
keiner unserer früheren Existenzen erinnern; wie das
Darwinsche Entwickelungsgesetz damit in Einklang zu bringen
sei u. s. f. AI ein Ausblick in's Jenseits blieb also ein
unsichere!', unvollkommener, und gestattete keino Orientirung.
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