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4 Psychische Studien. XVI. Jahrg. 1, Heft. (Januar 1889.)
noch viele anführen. Ich wohnte zahlreichen Spiriten-
sitzungen hei und wurde sogar mit den hervorragendsten
Lehrern dieser Schule persönlich bekannt. Freilich war
ich Augenzeuge von einigen Thatsachen, die ganz entschieden
auf das Einwirken übersinnlicher Kräfte schliessen
lassen; aber hierauf beschränkt sich mein Resultat auf
diesem Gebiete. Durch persönliche typtologische Versuche
mit bewährten Freunden habe ich selbst« nie das Geringste
erzielen können. Mein Glaube an die Phänomene des
Mediumismus beruht also nur auf einigen wenigen selbstgemachten
Erfahrungen; ich erkläre ihn aber als hinreichend
befestigt durch die Aussagen von einer ganzen Beihe wissenschaftlicher
Forscher (Crookes, Varley> Zöllner u. s. w.),
denen man, wenn man nicht den Namen eines systematischen
Skeptikers verdienen will, wenigstens hinsichtlich des That-
sacJienbestandes unbedingtes Zutrauen schenken muss.*)
Andererseits glauben die orthodoxen Spiritisten an eine
mehr oder weniger unabsehbare Reihe von irdischen
Reincarnationen und finden diese Perspektive ausserordentlich
tröstend. Mir erschien sie geradezu schrecklich.
Die Erde ist an sich ein düsterer, unwirthlicher Aufenthaltsort
, und seine Bewohner, im Koizebue'schejx Gedicht nicht
ganz mit Unrecht Tiger und Affen genannt, sind, bis auf
wenige Ausnahmen, Itolz, egoistisch und grausam. Man
braucht bloss einen Blick auf unsere politischen, sozialen
und religiösen Zustände zu werfen, um sich davon zu überzeugen
* Auch bei den Spiritisten findet man selten jene
Toleranz, welche den besonnenen Denker characterisirt: wer
nicht ohne Weiteres an den direkten Geisterverkehr glaubt,
wird befehdet und der Ketzerei beschuldigt, sei er im
übrigen auch noch so anti-materialistisch gesinnt. Ich
nehme nun freilich, wie schon bemerkt, die spiritistischen
Phänomene als Thatsachen an; aber die eigentliche spiritistische
Religion und der ganze irdisch-überirdische
Geisterspuk, auf den sie fusst, haben doch offenbar den
noblen, erhabenen Charakter nicht, den man darin zu suchen
berechtigt scheint. Die Ungebildeten dieser Kirche sind
*) Seitdem Verfasser diese Zeiten niederschrieb, hat er im Verein
mit mehreren wissenschaftlich gebildeten Freunden (zum Theil im
Beisein der englischen Professoren K W. R, Myers und H. Sidgwkk,
sowie des Physiologen Dr. ßericourt) zahlreiche Versuche übersinnlicher
Gedankenübertragung angestellt und darin unzweifelhafte Erfolge
erzielt; auch hat er an sich selbst Beispiele Ton Hellsehen (im Traume)
beobachtet. Seine Experimente wurden theiis in der „Sphinx" (Kebruar-
Hefi 1886), theiis io den „Proceedings der Londoner Society for
Psyohical Researehes" (Vol. XI und XII) veröffentlicht.
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